Fuenf Maenner Fuer Mich
treten Sie ein“, lächle ich jetzt. Das Lächeln gilt mir selbst und meinem zerstreuten Kopf. Die fünf setzen sich an den dunklen Eichentisch, um den ich alte Stühle aus einer Haushaltsauflösung gestellt habe. Mein Nachbar Peter ist Theaterdekorateur. Er hat die Sitzflächen mit rotem Samt bezogen und das Holz mit Öl behandelt; jetzt sehen sie aus wie Stühle in einem Schloss. Auf einem Silbertablett, das Peter aus irgendeinem Requisitenkoffer gekramt hat, serviere ich die Hauptdarsteller des heutigen Nachmittags: meine La-Galana-Zigarren. Liebevoll schneide ich die Spitzen ab und befeuere das Brandende mit meinem Bunsenbrenner. Dann fächele ich sorgsam mit einem handbemalten spanischen Fächer, bis die Glut richtig sitzt. Währenddessen schaue ich jedem Einzelnen der fünf tief in die Augen und stelle mir vor, sie wären tatsächlich mein echtes 5L-Team. Dann lasse ich die Jungs alleine.
Nach vier Stunden sitzen sie immer noch da, rauchen gerade die dritte Zigarre, schlürfen Rum und schwärmen: So einen Nachmittag haben wir lange nicht erlebt. Dürfen wir wiederkommen?
Der fünfte Tibeter
D u bist ganz neu hier, oder?“, beginnt er unser Gespräch. Das stimmt. Die lilafarbene Seitensprungseite gehört der Vergangenheit an. Viola hatte mir mal wieder den ultimativen Tipp gegeben. „Ich hab eine neue Seite entdeckt!“, rief sie aus, als sie mich neulich mit ihrem Besuch überraschte. Sie ließ ihre Tasche auf den Boden und sich selbst aufs rote Sofa fallen und erzählte atemlos: „Da geht’s um anspruchsvolle Erotik. Geil und stilvoll zugleich. Was für Männer ich da schon geangelt habe! Einen 30-jährigen Boxer, einen Webdesigner mit Pseudonym ‚Philosoph‘, der mich in einen Swingerclub mitnehmen will. Einen Psychologie-Professor, der zwar ein unverbesserlicher Chaot ist, aber hervorragend fickt.“
Diese Einführung überzeugte mich. Also meldete ich mich bei der einen Seite ab und bei der anderen an. Die Anmeldung ist ein voller Erfolg, die Nachrichten purzeln nur so in mein Postfach. Einer schreibt: „Kann man dein Foto auch ein bisschen näher heranholen? Und ziehst du mal deine Brille aus und schenkst mir ein Lächeln?“ Auf meinem Profilbild zu sehen sind: lange Beine, auf dem Boden vor mir verstreut Kokosnüsse, im Hintergrund die glitzernde karibische See. Ich lehne in einem knappen Bikini mit Sonnenschlapphut und riesiger Sonnenbrille an einer windschiefen Palme.
Ein Blick auf seine Kurzbeschreibung zeigt einen lebensfrohen Mann Mitte 40, verschmitzt lächelnd und braun gebrannt. Die Bilder sind weder mit Photoshop bearbeitet, noch aufwendig im Studio inszeniert. Im Gegensatz zu vielen anderen versteckt er sein Gesicht nicht, steht zu sich und seinem Tun. Erfrischend! Ich klimpere in die Tasten: „Ich finde dich sympathisch, schicke nur nicht gerne Fotos durch die Gegend. Was hältst du von einem kurzen Treffen?“ Er hält sehr viel davon und zwei Tage später verabreden wir uns in einer stylischen Bar.
Es ist mein sechstes Treffen mit einem Unbekannten aus dem Internet. Irgendwann wird das zur Normalität, schießt es mir durch den Kopf. Ich bin nur noch ein klitzekleines bisschen nervös. Wir kommen beide eine Viertelstunde zu spät, haben uns gegenseitig per SMS Bescheid gegeben und betreten gleichzeitig das Lokal. Er geht nur drei Schritte vor mir durch die Tür. Ich erkenne ihn sogar von hinten, seine Lederjacke trägt er auf dem Profilfoto. Die Fotos zeigen den echten, realen Mann. Das ist eine Ausnahme.
Als habe er mich in seinem Rücken gespürt, dreht er sich um. Ja, wir erkennen uns: „Wilde blonde Locken und ein langer grauer Mantel, das kannst nur du sein!“ Er streift mir den Mantel ab und hängt ihn an die Garderobe. Er ist ein Gentleman der alten Schule: müsste unter Artenschutz gestellt werden. Er ordert für mich einen Mojito und für sich einen Caipirinha. Der Unbekannte scheint ein Genießer zu sein.
Am Mundwinkel entdecke ich eine winzige Spur Zahnpasta. Ich könnte ihn gefahrlos küssen, denke ich. Ein frischer Pfefferminzkuss wartet da. Ich überlege, ob ich ihn darauf hinweisen soll. Da beginnt er schon zu erzählen: „Mein Leben hat sich um hundert Grad gedreht, seit ich auf der Seite bin. Ich kann es kaum glauben, geschweige denn in Worte fassen. In einem einzigen Jahr habe ich so viel erlebt wie andere in einem ganzen Leben nicht …“
Die Geschichten sprudeln nur so aus ihm heraus. Es ist nicht das erste Mal, dass sich mir gegenüber jemand so
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