Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fünf Schlösser

Fünf Schlösser

Titel: Fünf Schlösser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
und sagte zum Prinzen: ›Cet homme l'a dit autrement .‹ Ich wandte mich sofort zu meinem Gartenburschen, auf den er wies, und sagte: ›Was weißt du? weißt du mehr, so sag es.‹ Der wußt aber nicht mehr als ich, worauf der Adjutant in einem harten Tone mich anließ: ›Il ne faut pas nous mentir; sans cela, on vous arrêtera.‹ Dieses Kerls Rede brachte mich ganz außer mir, und die Tränen kamen mir ins Auge. Dann wandt ich mich an den Prinzen, riß meinen Hut ab, wies ihm meinen grauen Kopf und sagte: ›Sehen Sie meine mit Ehren grau gewordenen Haare, und urteilen Sie, wie hart mir solche Rede fallen muß; ich lüge nicht , ich sage, was ich weiß, und mehr kann ich nicht sagen.‹ Murat besänftigte mich und versprach mir eine Sauve Garde. Hernach sagte er mir, ›er wolle das Hauptquartier zu Liebenberg nehmen, das wäre meine beste Sauve Garde‹, auf welche Zusicherung hin ich, bei meiner Rückkehr ins Dorf, anschlagen ließ: Quartier général du Prince.
    Der Vorteil, den ich von diesem Zwischenfall hatte, war aber gering, wenn es überhaupt ein Vorteil war. Erst kamen viele seiner Knechte mit Pferden in den Stall und danach Offiziere, Dragoner und Wachmannschaften. Alle wollten Hafer, Wein und Lebensmittel, zwölf Portionen Essen für den Colonel, siebzehn Portionen für den andern Colonel, hier acht Bouteillen Wein, dort zwölf, dort sechs, so ging das Gerufe durcheinander. Wenigstens 3000 Dragoner und Chasseurs waren im Dorf oder in unmittelbarer Nähe desselben. Und während die Offiziere sich bei mir beköstigen ließen, wirtschafteten die Gemeinen nach ihrer Art. Alle Zäunungen wurden verbrannt (obgleich Holz genug da war), auf die Schweine wurde Jagd gemacht, viele erstochen, andere zunichte gehauen, die Federviehställe erbrochen, und weder Huhn, Gans, Pute noch Ente blieb am Leben. Zehn Tonnen Bier wurden aus der erbrochenen Brauerei genommen und die Feuer in solcher Nähe der Häuser angezündet, daß nur Gottes Gnade das Abbrennen verhinderte. Mehr als neun Wispel Hafer waren schon vom Boden abgemessen worden. Als nichts mehr davon zu finden war, ging es über die Haferscheuer her, und Hafergarben und Heu wurden so verschwendet, daß die Pferde mehr zertraten als fraßen. Küchengeräte wurden überall genommen und nicht wiedergebracht.
    Der Prinz Murat kam nicht ; er war bereits bis Zehdenick vorgedrungen.
    Der an seine Stelle gekommene Divisionsgeneral Beaumont mußte nach dem Abendessen noch nach Falkenthal vorrücken, und nur ein Brigadegeneral, ein Deutscher, der seinen Namen nicht nannte (es war der General Becker ) blieb mit dem Generalstabe zurück. Um die Wirtschaft der Gemeinen kümmerte sich niemand.
    Und so kam der 27. Als um vier Uhr morgens der General aufbrach, bat ich um eine Sauve Garde, weil die Dragoner mich auf die Gewalttätigkeit und Plünderung ihrer eigenen Infanterie aufmerksam gemacht hatten. Der General bewilligte mir denn auch einen Brigadier (Gendarmeriewachtmeister), der Befehl hatte, das Eintreffen des Infanteriegenerals abzuwarten und denselben um eine Sauve Garde für mich anzusprechen. Und dann erst solle er folgen.
    Etwa gegen neun Uhr erschienen die Marodeurs der Infanterie, die wie Strauchräuber aussahen. Sie lachten die Sauve Garde aus, rissen den Branntwein, den man ihnen in Gläsern anbot, in ganzen Flaschen an sich und drangen ins Haus. Gleich darauf hörte man das Aufstoßen der Türen und Spinden, ohne Rücksicht darauf, ob diese verschlossen waren oder nicht. Alles wurde zerschlagen. Ebenso ging es im Wirtschaftshause; die Keller wurden erbrochen, die Wein- und Branntweinfässer angezapft, und da keiner der Plünderer ans Zumachen dachte, so lief der größeste Teil in den Keller. Die Tonnen mit Lebensmitteln, mit Öl und Gemüse wurden umgeworfen und ihr Inhalt in den Moder getreten. Ich blieb, aller Roheiten und Mißhandlungen unerachtet, unter den Plünderern, um durch Aufschließen der Spinden ihr Zerschlagen und Aufbrechen zu verhüten; allein vergebens. Es läßt sich die Raubbegierde dieser Menschen mit nichts andrem als mit der einer Tatarenhorde vergleichen. Einer der Dragoner, die die vergleichsweise guten und anständigen waren, ließ mir durch die Neumann sagen, ich solle doch nur so weit wie möglich fortlaufen, um mich den Mißhandlungen der Wütriche nicht auszusetzen, deren einige bereits anfingen, meinen Leuten ihr Zeug vom Leibe zu reißen. Und so schlich ich mich durch den Garten in den Busch, ohne etwas anderes mitzunehmen

Weitere Kostenlose Bücher