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Fünf Schlösser

Fünf Schlösser

Titel: Fünf Schlösser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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hast! Gebot er nicht allen Juden, aus Stendal zu weichen? Und du hast es gewagt, dazubleiben und weiter zu lehren in eurer schändlichen Weise. Gut, daß ich selber hier bin, dich zu fangen. Ich werde dich zu dem Herrn Kurfürsten schicken, und der soll über dich richten lassen.«
    Da fiel der Jude vor dem Scheltenden auf die Knie, der denn auch versprach, ihn frei ziehen lassen zu wollen, wenn er hundert Goldgulden zahle. Sonst müsse er in die »Klemme«.
    »Herr, ich besitze nichts als das Brot der Trübsal, das meine Tochter im Tuch von Stendal mitgenommen hat. Bis Dömitz gedachten wir heute zu kommen. Da warten unserer etliche aus dem Volke.«
    Quitzow sann eine Weile nach und sagte dann, während er sich an des Juden Tochter wandte: »Lauf, Dirne, lauf schnell und sage deinen Leuten in Dömitz, daß sie deinen Vater mit hundert Goldgulden von meinem Stuhle herunterholen sollen. Es sind sicher dort einige, die meinen Stuhl vom Hörensagen kennen oder wohl gar aus Erfahrung und schon auf ihm gesessen haben. Sie werden gerne zahlen, auf daß ihnen der Rabbi nicht verlorengeht.«
    Und damit trieb er das Mädchen auf Dömitz zu, während er den Rabbi nach dem Turm schleppte.
    Da saß nun der alte Rabbi von Morgen bis Abend, und als Quitzow kam und nachsah, vernahm er nur, wie der Alte betete: »An den Wassern zu Babel saßen wir und weineten, wenn wir an Zion gedachten.« Und als er das hörte, wurde dem Quitzow unheimlich, und ein Zittern befiel ihn, und er stieg, so rasch er konnte, die Leiter wieder hinab, von der aus er den alten Juden beobachtet hatte.
    Tags darauf kam er wieder und hörte wieder das Singen und Beten, und als am dritten Tage die Judentochter noch immer nicht da war, befiel den Quitzow ein ihm sonst fremder und immer wachsender Schrecken, und er beschloß, einen Wagen anschirren und den alten Juden bis Dömitz hinfahren zu lassen. Im Augenblick aber, als er den Befehl dazu gab, trat die Judentochter wieder ins Schloßtor, mit ihr zwölf hebräische Männer, und die Tochter hielt dem Quitzow die hundert Goldgulden entgegen. In seiner Angst aber wies er das Geld ab und nahm seinen Weg nach dem Turm hin und stieg die Leiter hinauf, um jetzt den Alten von seinem Stuhl herabzunehmen. Als er aber auf der obersten Sprosse war, vernahm er drinnen in der Turmstube die Worte: »Höre, Israel, der Herr unser Gott allein ist Gott«, und als Kuno Hartwig bei diesen Worten von der Leiter her abwärts blickte, nahm er wahr, daß die Juden, die mit ihm zugleich in den Turmflur eingetreten waren, auf die Diele niederknieten und den Gesang ihres Rabbi beantworteten. Und nun öffnete Quitzow die Tür und sah den Alten, dessen Augen ihn anfunkelten. »Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimsuchet der Väter Missetat an den Kindern...«
    Bis dahin kam der Sterbende.
    Dann lösten ein paar herbeigerufene Knechte die Leiche des Rabbi aus der Klemme und übergaben sie den Juden, die nun wehklagend ihren Heimzug nach Dömitz hin antraten. Die hundert Goldgulden aber hatte die Tochter dem Quitzow vor die Füße geschleudert.
    Quitzow winkte seinen Leuten, daß sie das Geld für sich nähmen. Er selbst aber ließ keinen Juden mehr in die Klemme setzen und nahm keinen Wegezoll mehr.
     
    Kuno Hartwig war schon vierzig, als er sich mit einer Anverwandten, der schönen Adelheid von Quitzow, vermählte. Sie nahm ihn des Besitzes halber (ein Vetter, den sie liebte, ging nach Neuspanien) und gefiel sich darin, ihm ihre Gleichgiltigkeit und Abneigung zu zeigen. Als sie jedoch nach Jahr und Tag eines Zwillingspaares genas, änderte sich ihre Haltung, und sie bewies von nun an ihrem Gatten ebensoviel Liebe, wie sie früher nur Spott und Übelwollen für ihn gehabt hatte. Die Zwillinge wurden Hans und Kurt Dietrich ge tauft und wuchsen zur Freude beider Eltern heran. Hans, der ältere, war ernsteren, Kurt Dietrich übermütigen Sinnes. Als der Vater aber zu sterben kam, rief er beide zu sich heran und erzählte, weil er sein Gewissen befreien wollte, daß er in seinen jungen Jahren ein großer Sünder vor Gott gewesen sei, dieweilen er den flüchtigen Juden, die vor seinem Schlosse vorbei mußten, einen schweren Damm- und Wegezoll abgepreßt habe. Das war das eine, was der Alte sagte. Danach aber kam das zweite, wonach er beide Brüder zu Erben in der Eldenburg einsetzte, dem Älteren nur ein Aufsichts- und Entscheidungsrecht einräumend, zum Zeichen dessen er ihm den sogenannten Quitzowring überreichte.

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