Fünf: Schwarzwald Thriller 1
abgesetzt. Ihre Mutter, die sie wohl schon hatte kommen sehen, kam ihr entgegen und nahm sie sofort beschützend in den Arm.
Katrin machte sich los und drehte sich noch einmal zu Darren um, der in seinem schwarzen Range Rover saß und wartete. »Ich melde mich morgen bei dir, wenn ich den Arzttermin hinter mir habe, okay?«
Darren nickte kurz und brauste dann los.
Katrin hoffte, dass er sich auf eine vorsichtigere Fahrweise zurückbesinnen würde, wenn sich seine Nerven etwas entspannt hatten.
Sie sehnte sich nach einem Gespräch zwischen Mutter und Tochter, aber ihre Mutter würde noch bis zum Abend im Laden zu tun haben. Es war erst sechzehn Uhr. Das bedeutete, dass sie noch drei Stunden warten musste. Sie zog sich in ihr Zimmer zurück.
Endlich!
Katrin hatte stundenlang auf ihrem Bett gelegen und die Musik ihrer Lieblingsband Sixx AM gehört, als es an die Tür klopfte.
»Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll«, sagte Katrin und setzte sich auf.
Ihre Mutter kam herein. Sie balancierte ein riesiges Stück Sachertorte auf einem Teller. Ein großer Klecks Sahne zierte das Stück und Katrin musste trotz ihrer traurigen Stimmung lächeln, als sie den Kuchen dankend ablehnte. Sie hatte noch nie gern Sachertorte gegessen. Erst recht nicht mit Schlagsahne.
Ihre Mutter, die bedauernd mit den Schultern zuckte, hatte diese Kombination schon immer besonders geliebt und begann auch gleich damit, sich genüsslich darüber herzumachen. Auf ihrem Gesicht lag der schlecht gespielte Ausdruck eines großen Opfers.
Katrin erzählte ihr alles, was sie Darren vorzuwerfen hatte. »Hättest du Papa verzeihen können, wenn er dich so belogen hätte?«
Ihre Mutter setzte sich neben ihr auf das Bett und legte einen Arm um sie. Den mittlerweile leeren Teller stellte sie auf Katrins weißem Nachttisch ab. »Ich kann dir nichts raten, mein Schatz. Das musst du mit dir selbst ausmachen.«
»Super, das hilft mir jetzt wirklich«, fauchte Katrin.
»Lass mich ausreden«, ermahnte ihre Mutter und Katrin fühlte sich wieder in ihre Kindheit versetzt.
Nicht zuletzt, weil ihre Eltern ihr Zimmer unverändert gelassen hatten, seit sie nach dem Abitur ausgezogen war und ihre Ausbildung bei der Kripo begonnen hatte.
»Was ich damit sagen will, ist, dass nur du allein weißt, ob Darren es wert ist, zu verzeihen und zu vergessen. Wahre Liebe, Katrin, kann alles vergeben und verkraften. Ich möchte nicht, dass du die Entscheidung, ob du Darren seine Lügen verzeihst, davon abhängig machst, was andere darüber denken würden. Denn nur du wirst mit der Entscheidung und ihren Konsequenzen leben müssen. Du und niemand sonst.«
Katrin betrachtete ihre Mutter zärtlich. Auch wenn sie manchmal eine schreckliche Glucke gewesen und, soweit Katrin wusste, nie über die Grenzen Baden-Württembergs hinausgekommen war, war sie trotzdem eine weise, lebenskluge Frau, deren Rat sie sehr schätzte. Und meistens traf sie den Nagel auf den Kopf. Wie auch jetzt. Endlich konnte Katrin zugeben, dass sie Darren schon längst verziehen hatte, nur genau das war es, was sie so belastet hatte. Als sie sich am Nachmittag von ihm verabschiedet hatte, hatte er sie lange angeblickt und sie schließlich mit leiser Stimme, in der so viel Zärtlichkeit und Liebe gelegen hatte, gebeten, ihm zu verzeihen.
Am liebsten wäre sie sofort zu ihm ins Auto gesprungen, um sich in seiner Umarmung wieder sicher und geliebt zu fühlen. Aber sie hatte Angst gehabt, es ihm vielleicht zu leicht zu machen.
Liebe verzeiht alles und Liebe vergisst alles, hatte ihre Mutter gesagt. Und wenn sie die Augen schloss und tief in sich hineinhörte, dann wusste sie, dass sie keinen Grund hatte, an der tiefen Wahrheit und Richtigkeit dieses Satzes zu zweifeln.
*
Der Termin beim Arzt war erfolgreich gewesen. Katrin konnte glaubhaft versichern, dass sie ihre Krise überwunden hatte und sich für den Polizeidienst wieder fit genug fühlte. Außerdem hatte sie mit Darren telefoniert.
Er wäre am liebsten sofort losgefahren, um sie so schnell wie möglich wiederzusehen, aber sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, die Tatsache zu nutzen, dass sie kein Auto hatte, und die Strecke endlich mal wieder mit dem Zug zurückzulegen. Die Bahnstrecke zwischen Donaueschingen und Freiburg war atemberaubend schön und ermöglichte es Katrin, ihren Gedanken noch einmal freien Lauf zu lassen. Also würde Darren sie vom Bahnhof abholen und anschließend waren sie mit Horn verabredet, der sich zwar immer
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