Fünf: Schwarzwald Thriller 1
er war hier, direkt vor unserem Haus?«, wisperte Johanna.
»Nö, er stand vor Melissas Haus«, erklärte Uli sicher.
»Also, Uli: Du bist dir wirklich sicher, dass es derselbe Mann war? Der vom Spielplatz und der, der dich Prinzessin genannt hat?«
»Klar.«
»Wieso? Hat der Mann denn irgendwie besonders ausgesehen?« Katrin ließ die Kleine nicht aus den Augen.
Sie machte diese Sache wirklich großartig, zeigte sich interessiert und aufgeschlossen. Uli war ein wirklich tapferes Mädchen. Der Gedanke, dass sie in Zukunft einmal unter schweren Selbstvorwürfen leiden würde, wenn sie ihre Freundin nicht rechtzeitig finden würden, schmerzte sie fast körperlich. Endlich erschien Darren wieder.
»Er kommt in ein paar Minuten. Sie suchen gerade ein möglichst aktuelles Bild von Melissa für das Fahndungsbild heraus.«
Johanna hielt sich eine Hand vor den Mund, offensichtlich, um das Entsetzen, das sie bei dieser Nachricht gepackt hatte, nicht vor den Kindern zu zeigen. Katrin beneidete Horn nicht um seine Aufgabe. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie schwer die Luft in dem hübschen Haus nebenan zu atmen war. Gesättigt vom Kummer und der Angst der Eltern würde sie dick sein wie Blei.
»Wir reden dann einfach später noch mal über den Prinzessinnen-Mann. Wenn dein Papa auch dabei ist, okay, Uli?«
Uli nickte lachend. »Das klingt ulkig, Prinzessinnen-Mann.«
Katrin lächelte.
War es nicht eine der wundervollsten Eigenschaften der Kindheit, Ängste und Sorgen einfach wegzulachen?
»Also, dann reden wir jetzt noch ein bisschen darüber, wie Melissa in das Auto gestiegen ist und wie das Auto ausgesehen hat.«
»Es war ein großes Auto.« Andi hatte sich bis dahin völlig ruhig verhalten. Katrin hatte den Eindruck gehabt, als würde er mit der ganzen Sache am liebsten nichts zu tun haben wollen.
»Wie groß, Andi?«
»Na ja, so ein Geländewagen eben.« Im Gegensatz zu Uli reagierte Andreas geradezu einsilbig.
»Kannst du dich an die Farbe erinnern?«
»Grün!«
»Blau!«
Sagten Uli und Andi wie aus einem Mund. Wäre die Sache nicht, wie sie war, hätte Katrin diese Situation durchaus komisch gefunden.
»Das Auto war grün«, motzte Andi von seinem Platz auf der Eckbank.
»Stimmt gar nicht, es war blau«, fauchte Uli zurück.
»Du hast doch überhaupt keine Ahnung von Autos.«
»Und du nicht von Farben. Das Auto war blau.«
Diese Diskussion erinnerte Katrin lebhaft an die Zeugenaussagen von Emma Schmids Freundinnen. Auch sie hatten sich nicht über die Wagenfarbe einig werden können. Die eine hatte behauptet, das Auto sei grün, die andere hatte darauf bestanden, dass das Auto blau gewesen sei.
*
»Was bezweckt dieser Kerl?«, fragte Horn und knallte die Tür zu seinem Büro hinter sich zu.
Katrin konnte die Verzweiflung des Mannes, der bisher in seinem Job immer so souverän gewesen war, nur schwer mit ansehen.
»Das war sicher kein Zufall«, bestätigte sie Horns Vermutung.
»Obwohl Melissa genau in sein Opferprofil passt«, gab Darren zu bedenken. »Sie ist fünf Jahre alt, blond, hat keine Geschwister …«
Das erinnerte Katrin an einen Gedanken, der ihr vor längerer Zeit schon einmal gekommen war, den sie aber durch die sich überstürzenden Ereignisse wieder vergessen hatte. »Aber deine Schwester war kein Einzelkind, Darren. Immerhin warst du ja ihr Bruder.«
Horn sah überrascht aus. »Stimmt«, sagte er. »Da ist was dran. Alle anderen Opfer waren Einzelkinder.«
»Ja, schon. Aber in gewisser Weise war Tammy auch ein Einzelkind«, erklärte Darren. »Mein Vater starb, als ich noch sehr klein war. Tammy kam auf die Welt, als ich acht Jahre alt war. Meine Mutter hatte in Deutschland wieder geheiratet, aber ich wollte meinen Namen nicht aufgeben und ließ mich deshalb nicht adoptieren. Ich wäre mir wie ein Verräter an meinem Vater vorgekommen. Deshalb hatten Tammy und ich einen anderen Nachnamen. Wenn er also die Einstellung hat, dass zwei verschiedene Nachnamen nicht zur selben Familie gehören können, dann war Tammy in seinen Augen ein Einzelkind.«
»Gibt es schon Nachrichten vom BKA?« Horn wühlte in einem Stapel ausgedruckter Faxe.
»In einem Radius von zehn Kilometern um den jeweiligen Wohnort der Opfer gab es keine Übereinstimmungen.«
»Verdammte Scheiße«, fluchte Horn und schlug mit seiner Faust gegen die kaltweiße Wand. »Ich darf mir nicht vorstellen, was der Kerl gerade mit Melissa anstellt. Die Kleine hätte auch meine Uli sein können.«
»Wenn
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