Fünf: Schwarzwald Thriller 1
gestanden hatte.
Sie warteten in Rittners Büro auf Schnarrenberger, der sicher in wenigen Minuten wieder auf freiem Fuß sein würde, davon war Katrin fest überzeugt, aber sie verstand Horns Bedürfnis, sich selbst von der Tatfähigkeit Schnarrenbergers zu überzeugen.
Horns Kiefermuskeln arbeiteten unablässig und Rittner warf Katrin einen Blick zu, der Verständnis für Horn signalisieren sollte, als Katrins Handy klingelte.
Sie konnte kaum glauben, was Darren ihr erzählte.
*
Katrin war außer Atem, als sie endlich bei ihrem Auto angekommen waren. Bis auf ein atemloses »Darren hat ihn« hatte sie noch nichts herausgebracht. Sie würden auf der rund einstündigen Fahrt zurück nach Freiburg noch lange genug Gelegenheit haben, die wenigen Sätze zu analysieren und diskutieren, die sie in ihrer Aufregung von dem behalten hatte, was Darren am Telefon gesagt hatte.
Sie schwiegen, bis sie den Straßentunnel bei Döggingen hinter sich gebracht hatten. Dann gab Katrin Horn in kurzen Worten Darrens Informationen weiter, ehe sie wieder in stumpfes Brüten verfielen.
Jeder von ihnen war zu sehr mit seinen eigenen Gedanken und Dämonen beschäftigt. Katrin hatte vor allem Angst. Angst davor, zu spät zu kommen. Angst, Stephanie und Thomas Wagner sagen zu müssen, dass sie ihr Kind in diesem Leben nicht mehr sehen würden. Angst vor dem eigenen Gesicht im Spiegel und Angst vor den Nächten, in denen die Bilder zurückkommen würden. Die Bilder, in denen Tränen aus toten Augen rannen und auf bleichen Wangen trockneten.
»Also, was hat Darren genau gesagt?«, fragte Horn schließlich noch einmal, während sie das Höllental mit seinen engen Kurven hinunterfuhren, und Katrin fühlte sich unter seinem Blick wie eine Angeklagte im Zeugenstand, deren Aussage noch einmal überprüft werden sollte.
»Er sagte, Uli hätte den Mann auf einem Video erkannt«, erklärte Katrin.
»Auf was für einem Video?«
»Ich weiß es auch nicht, aber Darren ist sich hundert Prozent sicher, dass der Täter auf dem Video zu sehen ist.«
»Die letzte Aufnahme von Uli, von der ich weiß«, murmelte Horn scheinbar völlig in Gedanken, »wurde an Ostern gemacht. Das ist mehr als drei Monate her …«
Katrin fühlte sich krank. Das bedeutete, dass die Entscheidung, Melissa zu entführen, vom Täter bereits vor mindestens drei Monaten gefällt worden sein musste. Drei Monate. Sie waren immer davon ausgegangen, dass sich der Täter vorbereitet hatte, aber die Genauigkeit seiner Planung und die Ausdauer, die Geduld, die dafür erforderlich war, so viele Tage, Wochen und Monate auf den richtigen Augenblick warten zu können, ließ sie eine Ahnung von der Komplexität seiner Triebhaftigkeit bekommen. Denn das hieß, dass er Melissa schon im Visier gehabt hatte, bevor Julia Göggel entführt und ermordet worden war.
Mittlerweile waren sie in Freiburg angekommen.
Im Wohnzimmer der Horns herrschte angespanntes Schweigen. Johanna sah heute wesentlich besser aus als am Vorabend. Die Schatten unter ihren warmen braunen Augen schimmerten nur noch leicht bläulich und ihr Gesicht hatte auch eine sehr viel gesündere Farbe angenommen. Sie wirkte nicht mehr so zerbrechlich und zart wie an dem Tag, an dem Melissa Wagner verschleppt worden war.
Stephanie Wagner hingegen sah aus, als wäre sie in den vergangenen Tagen um Jahre gealtert. Ihr Blick war stumpf, ihre Bewegungen fahrig und ihr rechtes Bein wippte, wenn sie saß, ständig auf und ab. Katrin kannte das. Sie wippte auch mit den Beinen, wenn sie versuchte, ihre innere Anspannung erträglicher zu machen.
Im Gegensatz zu seiner Frau versuchte Thomas Wagner, so ruhig wie möglich zu wirken. Nur seine weißen Fingerknöchel und seine mahlenden Kiefermuskeln zeigten, wie es in ihm aussehen musste.
Uli hockte auf dem Sofa und sah sich im Fernsehen einen Zeichentrickfilm an.
»Wir mussten umschalten. Stephanie konnte es nicht mehr aushalten«, erklärte Johanna unaufgefordert, nachdem Katrin und Horn das Wohnzimmer betreten hatten. Sie wandte sich an Stephanie. »Kannst du es noch einmal ertragen, Stephanie, oder möchtest du solange mit mir in die Küche gehen und warten?«
Stephanie Wagner schüttelte den Kopf und wischte sich über ihre Augen, die sich bei Johannas Worten sofort wieder mit Tränen gefüllt hatten. »Ist schon gut. Melissa muss viel mehr ertragen als ich. Da fällt es einem leicht, stark zu sein.«
Katrin verstand plötzlich, dass die augenscheinliche Verzweiflung der
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