Fünf: Schwarzwald Thriller 1
waren die Hände gebunden. Er wurde hier gebraucht, bei seiner Frau und seinen Kindern. Völkers Nachricht hatte ihn trotzdem geschockt. Er hätte Katrin gern beigestanden, aber nichts konnte ihn in dieser Situation von der Seite seiner Frau bringen. Liebevoll strich er seiner Tochter eine Haarsträhne aus der Stirn. »Was ist denn das?«, fragte er leise.
Uli zeigte auf die Figuren auf ihrem Bild. »Das bin ich«, erklärte sie. »Und das ist Andi.« Sie strahlte ihren großen Bruder an, der mit unergründlichem Blick über seinem eigenen Bild saß und malte.
»Und das sind Mama und ich?«, fragte er und deutete auf den Mann und die Frau, die sich in Ulis Bild an den Händen hielten und lächelten. Uli nickte. »Und du, Andi?«, flüsterte er, während er sich über das Bild seines Sohnes beugte. »Ist das ein Dschungel?« Andi nickte, ohne aufzusehen. »Und der Junge, der da ganz allein in diesem Dschungel steht, der bist du?« Endlich blickte der Junge zu ihm auf. In seinen Augen schwammen Tränen.
Unwillkürlich streckte Josef die Hand nach seinem Sohn aus und drückte ihn an seine Brust. »Aber du bist nicht allein, Andi«, flüsterte er in die dichten, feinen Haare seines Sohnes. »Du bist nicht allein.«
Die Ärzte hatten Johanna von allen Apparaturen befreit. Nur der Port oberhalb ihrer Brust pumpte noch genügend Morphium in ihre Blutbahn, damit sie keine Schmerzen leiden musste.
Sie war schon seit Stunden nicht mehr ansprechbar, trotzdem konnte sich Josef nicht des Eindrucks erwehren, dass sie mitbekam, was um sie herum vorging.
Die Schwestern hatten ein weiteres Bett in Johannas Zimmer geschoben, damit die Familie sich hin und wieder selbst ausruhen konnte. Wann es mit ihr endgültig zu Ende sein würde, konnte niemand sagen.
»Letztlich kommt es darauf an, wie stark ihr Herz ist«, hatte der Arzt gesagt, der stündlich nach ihr sah, um über den Port neues Morphium freizugeben.
»Hör auf zu kämpfen, mein Schatz«, flüsterte Josef, als seine Schwiegermutter mit den Kindern in der Cafeteria etwas zu essen holte. Tränen liefen über sein Gesicht. »Du hast genug gelitten.« Seine Lippen berührten sanft ihre heiße Stirn. Das Fieber war heute Morgen dazugekommen, und mit seinem Einverständnis unternahmen die Ärzte nichts mehr dagegen. Es würde ihr Leiden nur unnötig hinauszögern.
Er griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. »Du hast mich zum glücklichsten Menschen der Welt gemacht, als du mir deine Liebe geschenkt hast.« Er weinte leise. »Aber jetzt musst du loslassen.« Er führte ihre Hand zu seinem Mund. Sie war leicht und zart wie eine Feder. »Ich liebe dich und ich werde dich immer lieben«, flüsterte er in ihr Ohr.
Johanna atmete tief und seufzend ein.
Und dann atmete sie einfach nicht mehr aus.
*
»Was meinte Rainert damit, dass er auf dich wartet?« Darren blickte Katrin fragend an.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie nachdenklich. »Ich weiß nicht einmal, wo meine Großmutter gelebt hat.«
»Gibt es bei euch denn kein Familienbuch?« Katrin hätte sich am liebsten mit der flachen Hand vor die Stirn geschlagen.
»Klar«, rief sie und ging zu der großen Wohnwand hinüber, deren Schubladen mit allerlei Krimskrams aus vergangenen Tagen vollgestopft waren. Sie kramte in verschiedenen Kisten und Schachteln herum, bis sie schließlich das kleine, in hellbraunes Leder gebundene Buch unter einem Stapel Fotoalben hervorzog.
»Hier ist es«, rief sie und hielt es triumphierend hoch. Sie hatte das Buch schon ein oder zwei Mal in der Hand gehalten, aber außer, als sie eine Abstammungsurkunde für ihre Bewerbungen gebraucht hatte, hatte sie sich nie näher für das Familienbuch ihrer Eltern interessiert.
In der Abschrift des Familienbuchs standen sowohl die Personalien ihrer Eltern als auch die ihrer Großeltern verzeichnet.
Sichtlich erstaunt hob Darren eine Augenbraue, als er laut die Adresse las, die unter Hildegard Volz’ Namen stand. »Wälderhof, 79263 Simonswald.«
Katrin griff wieder nach dem Telefon und wählte eine Nummer. »Ich hätte gern die Telefonnummer der Stadtverwaltung Simonswald.« Es dauerte nur Sekunden, bis die Durchsage kam. Katrin notierte die Nummer und wählte erneut.
Eine Viertelstunde später saßen sie bereits im Auto. Sie flogen geradezu über die Straßen. In Furtwangen hatten sich die Ampeln gegen sie verschworen und schalteten sämtlich auf Rot, als sie darauf zufuhren. Dennoch kamen sie schnell voran. Simonswald war eine lang
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