Fünf Tanten und ein Halleluja
Bewegung zuschnappen lieÃ.
»Gibt es Probleme mit Wolfgang?«, fragte Claire, als Helga sich zu ihnen gesellte.
»Ach. Ihm wäre es am liebsten, wenn ich mit dem nächsten Zug zurück nach Papenburg fahren würde. Wolfgang eben.«
Dann machte sie eine wegwerfende Handbewegung, die besagen sollte: Lassen wir dieses Thema besser.
Ebba hatte ihre konspirative Besprechung mit Immi beendet und machte sich nun an dem Gepäckturm zu schaffen.
»Wir müssen uns beeilen«, sagte sie. »Sonst verpassen wir die Stadtrund â¦Â« Sie stockte. »Wo ist Kamilla?«
Alle blickten sich um. Claire meinte, sie gerade noch gesehen zu haben. War sie nicht dort drüben am Prospektständer gewesen?
Ebba zögerte keine Sekunde. Sie nahm sofort das Heft in die Hand.
»Also gut«, sagte sie entschlossen. »Immi, du bewachst das Gepäck. Helga geht nach drauÃen und sucht dort nach ihr. Claire nimmt sich den Gastraum und die Bar vor. Ich werde auf den Toiletten und dem Parkplatz Ausschau halten. Wir treffen uns in fünf Minuten hier. Egal, ob wir Kamilla gefunden haben oder nicht.«
Und so wurde es gemacht.
Claire ging los und erkundigte sich beim Barmann, doch der hatte keine kräftig gebaute Frau gesehen. Sie ging weiter in den Gastraum, aber auch dort keine Spur von Kamilla. Eine Angestellte deckte bereits die Frühstückstische für den nächsten Morgen ein.
Gerade wollte Claire ins Foyer zurückkehren, als sie eine Gestalt in einem kleinen dunklen Gang entdeckte, der vom Gastraum abging. Es war Kamilla, die an der offenen Küchentür stand und konzentriert hineinspähte.
Claire trat näher und tippte ihr auf die Schulter. Kamilla registrierte ihre Schwester zwar, konnte den Blick jedoch nicht abwenden.
In der Küche herrschte rege Betriebsamkeit. Köche standen vor lodernden Gasflammen und hantierten mit mehreren Töpfen und Pfannen gleichzeitig. Es schepperte und krachte, Wasserdampf trübte den Blick. Kamilla hatte jedoch nur Augen für die Küchenjungen. Einer sortierte gerade verdorbene Tomaten aus, ohne dabei sonderlich wählerisch zu sein. Ein anderer wischte Dreckwasser auf, und er benutzte nur einen Lappen für alle Flächen. Kamilla hielt sich die Hand ans Herz.
Claire wusste genau, was ihrer Schwester durch den Kopf ging. Während der Busfahrt hatte Kamilla in einer Zeitschrift gelesen, dass derzeit das Norovirus in Berlin umgehe. Ein möglicher Grund sei mangelnde Hygiene in der Gastronomie. Für Kamilla war bereits das ein Argument gewesen, die Reise abzubrechen und wieder nach Hause zu fahren. Solche Dinge sollte man lieber nicht auf die leichte Schulter nehmen. Nur mit Müh und Not hatte Claire es geschafft, sie davon abzubringen. Doch jetzt wurde Kamilla Zeuge der hygienischen Bedingungen in ihrem Hotel. Claire schwante nichts Gutes.
Da fiel einem Koch plötzlich ein Salatblatt aus der Hand, das zur Dekoration eines Essens dienen sollte. Es segelte zu Boden und landete im Schmutz. Der Koch bückte sich, hob es auf, schüttelte es kräftig ab und legte es dann auf den Teller.
Kamilla schien der Atem zu stocken. Sie wandte sich mit schreckgeweiteten Augen an Claire und wirkte dabei, als wolle sie tausend Dinge sagen, die sie kaum in Worte fassen konnte. SchlieÃlich ging ihr ein einziges Wort über die Lippen, das stellvertretend war für den ganzen Albtraum, den sie durchlebte. Sie sagte: »Claire.«
So wütend hatte Toni seinen Freund selten erlebt. »Du tust immer so, als wäre es für dich gar kein Problem, mit einem Mann zusammen zu sein, aber das verrätst du nur dort, wo dir nichts passieren kann. Woanders erzählst du den Leuten von deiner Freundin. Ich hab mich sogar damals im FuÃballverein geoutet, und glaub mir, das war kein Zuckerschlecken. Aber du? Du schaffst es nicht mal, dich deiner eigenen Familie zu offenbaren. Weil du nämlich keinen Mumm in den Knochen hast!«
Jetzt fühlte sich Toni doch ungerecht behandelt. »Sie sollen einfach nicht so viel über mich wissen. Es geht sie nichts an.«
Tante Claire vielleicht, die könnte er einweihen. Aber letztlich war sie eben auch nur ein Teil dieser Familie, und deshalb war es das Beste, er lieà es einfach.
»So ein Quatsch!«, rief Micha. »Mach dir doch nichts vor: Du hast Schiss.« Weil Toni darauf nichts erwiderte, rief Micha: »Meine Güte, irgendwann musst du es ihnen
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