Fünf Tanten und ein Halleluja
Vögel hier in Berlin. Wer kann denn bei dem Gezwitscher schlafen?«
»Das meine ich auch.«
Wieder Schweigen.
»Wie spät ist es denn jetzt?«, fragte Ebba nach einer Weile.
»Gleich halb sieben.«
»Meint ihr nicht, ich könnte schon mal �«
Allgemeines Nicken. Nur Claire war zurückhaltend, aber sie wollte sich besser nicht mehr einmischen. Ebba wählte Tonis Nummer, hielt sich das Handy mit spitzen Fingern ans Ohr, prüfte dann noch mal, ob sie alles richtig gemacht hatte, und wartete.
»Ah, jetzt kommt das Freizeichen«, sagte sie.
Die Schwestern beugten sich vor und warteten.
»Es geht ja überhaupt gar keiner ran«, meinte Ebba verwundert.
Doch dann nahm sie plötzlich Haltung ein. »Toni!«, rief sie. »Da bist du ja! Ich dachte schon, es wäre keiner da.«
Die anderen rückten näher, trotzdem konnten sie nichts vom anderen Ende aufschnappen.
»Ach so, nein, es ist nichts passiert, wieso fragst du? Nein, hör zu, Toni, ich habe ein Anliegen ⦠Nein, Tante Claire gehtâs gut. Wir haben nur ein Problem mit dem Hotel. Du weiÃt doch, deine Tante Kamilla wieder â¦Â«
Kamilla ging empört dazwischen: »Was soll denn das jetzt heiÃen?« Aber Helga versetzte ihr einen Stoà in die Seite, und sie schwieg beleidigt.
»Ja, genau, es gibt Probleme«, sagte Ebba. »Hör zu, Toni, ich machâs kurz: Wir kommen zu dir ⦠Nein, ich meine, wir übernachten bei dir ⦠Nein, Kamilla will in kein anderes Hotel. Ich ⦠jetzt hör doch mal zu, wir sind schlieÃlich deine Familie. So schrecklich ist das ja wohl nicht ⦠Also Toni, bitte! Es ist nur für eine Nacht, jetzt stell dich nicht so an! Also wirklich, Toni, gleich reiÃt mir der Geduldsfaden! Was denkst du denn, wer du bist? Ja, so ist das nun mal, wenn man Familie hat ⦠Nein, Schluss jetzt! Du tust, was ich sage! ⦠Na also. Und jetzt möchte ich nichts mehr davon hören. Wir sind in einer guten Stunde bei dir. Dann klären wir alles Weitere. Bis gleich.«
Sie drückte die Verbindung weg und holte tief Luft.
»So, das wäre geregelt.«
Claire räusperte sich. »Aber er war nicht sehr begeistert, oder?«
»Ach was. Er wird sich schon daran gewöhnen. So schlimm ist das doch auch wieder nicht. Und es ist nur für eine Nacht.«
»Ja, aber was hat er denn gesagt?«
»Na ja. Am Ende meinte er, es wäre kein Problem.« Sie lächelte. »Ich glaube, wenn der erste Schreck vorbei ist, freut er sich bestimmt auf uns.«
Lutz muss sein Zimmer aufräumen. Und bis Sonntag verschwinden.
Die Dildos müssen weg. Und natürlich alle Pornos.
Und die Schränke muss ich auswischen.
Wo ist die Mahnung vom Vermieter? Die darf auf keinen Fall hier rumliegen.
Alles muss weg!
Toni hielt sich an der Anrichte fest. Er holte tief Luft. Er musste ruhig bleiben. Das war jetzt das Allerwichtigste. Nur so konnte er die Katastrophe abwenden.
Er stand in T-Shirt und Unterhose in der Küche, vor ihm auf der Anrichte das Schnurlostelefon. Quasi mitten in der Nacht war die Nachricht der Tanten über ihn hereingebrochen. Er wusste nicht, ob er je so unsanft geweckt worden war.
Zu allem Ãberfluss passierte das vor einem wichtigen Castingtermin. Normalerweise hatte er ein festes Ritual, wie er einen solchen Tag begann. Ausschlafen, damit ging es schon mal los. Und dann eine ausgiebige Dusche, ein fettes Frühstück mit Eiern und Speck und viel Kaffee. Und vor allem Ruhe. Ruhe, Ruhe, Ruhe. Auf diese Weise fand er die innere Stärke, den Leuten vom Casting gegenüberzutreten.
Stattdessen kämpfte er heute seine aufkommende Panik nieder. Er musste handeln, und zwar schnell. Also zog er zwei Umzugskartons aus der Abstellkammer und marschierte mit einem davon zum Zimmer seines Mitbewohners. Er hämmerte gegen die Tür und trat ein. Auf dem Boden lag eine riesige Matratze, unter den Decken wanden sich Körper. Lutzâ Kopf tauchte auf. Zerzauste Haare, verquollene Augen und ein gequälter Mund, der sich wortlos öffnete und schloss, wie bei einem Fisch auf dem Trockenen.
»Lutz, aufwachen! Jetzt komm schon!«
Ein zweiter Kopf tauchte auf. Ein junger, ausnehmend hübscher dunkelhaariger Mann.
Lutz blickte Toni fassungslos an. »Bist du wahnsinnig?«
»Alles, was schwul ist, muss weg!« Toni stellte den Umzugskarton neben die Matratze. »Und zwar
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