Fünf Tanten und ein Halleluja
Müller?«
O Gott, es ging los. Er war der Nächste.
Er durfte jetzt nur nicht den Kopf verlieren. Du kannst deinen Text, sagte er sich immer wieder, du kannst deinen Text.
Das Tribunal bestand heute aus drei Männern. Der Regisseur saà in der Mitte, seine Assistenten links und rechts daneben. Sie blätterten in den Fotos von Noah Winter herum und beachteten Toni gar nicht. An der Wand lehnte ein Mann im mittleren Alter mit Brille und Halbglatze, der ein Textheft in der Hand hielt. Offenbar war das Tonis Ansprechpartner. Nicht gerade das, was man unter einem Actionhelden verstand, aber da war er Schlimmeres gewohnt. Bei einem Casting für einen Liebesfilm hatte er einmal vor einer zwei Meter groÃen, dürren und Kaugummi kauenden Frau stehen müssen, die ihren Text lustlos runtergeleiert hatte, während Toni sich den Wolf gespielt und voller Ãberzeugung gerufen hatte: »Aber glaub mir doch, ich möchte dich heiraten! Ich liebe dich!«
»Toni Müller?« Inzwischen war der Regisseur auf ihn aufmerksam geworden. Er beäugte ihn kritisch von oben bis unten.
»Richtig. Das bin ich.«
»Also gut. Legen Sie los. Werner wird Ihr Ansprechpartner sein.«
Die Halbglatze nickte ihm zu, und Toni grüÃte freundlich zurück. Der Regisseur fing an, etwas auf einen Zettel zu kritzeln. Es wirkte, als hätte er gar keine Augen für Toni. Seine Assistenten saÃen gelangweilt daneben und gafften ihn mit leerem Blick an.
»Was ist los?«, murmelte der Regisseur, ohne aufzusehen. »Fangen Sie an.«
Toni atmete durch. Also gut. Er rief sich den Text in Erinnerung. »Es ist vorbei. Das Spiel ist aus«, so ging es los. Dann würde der Glatzkopf etwas sagen und dann wieder Toni: »Du hast recht.« Und so weiter und so weiter. Es würde schon laufen.
Toni hockte sich auf den Boden und tat, als wären seine Hände gefesselt. Er holte Luft.
»Es ist vorbei«, leierte in diesem Moment der Glatzkopf. »Das Spiel ist aus.« Dann sah er zu Toni und wartete.
Claire, Kamilla und Helga saÃen an Tonis Küchentisch. Sie hatten im Schrank Kaffeepulver und Filtertüten gefunden und sich dann erst einmal eine Kanne starken Kaffee gekocht. Die Stimmung war gedämpft. Natürlich fragten sie sich, ob Ebba und Immi bei der Polizei etwas erreicht hatten. Aber die Chancen dafür standen wohl schlecht. Sie waren nun mal einem dieser Taschendiebe zum Opfer gefallen, die sich auf arglose Touristen spezialisiert hatten. Wahrscheinlich würden sie die Sachen aus Immis Tasche nie wieder zu Gesicht bekommen.
Ihr ganzer Plan war mit einem Schlag zunichtegemacht worden. Natürlich konnten sie auch so mit Toni reden und versuchen, ihn wieder zurück in die Familie zu holen. Doch fehlten ihnen die überzeugenden Argumente. Zumal sie hier zu allem Ãberfluss sein ganzes Leben auf den Kopf stellten.
Claire hatte zwar von Anfang an wenig von dem Plan gehalten. Aber die allgemeine Niedergeschlagenheit hatte auch sie ergriffen.
»Wir hätten besser gleich zu Hause bleiben sollen«, seufzte Kamilla. »So haben wir alles nur schlimmer gemacht.«
»Aber ist es nicht trotzdem schön, Toni mal wieder zu sehen?«, fragte Claire. »Auch wenn wir alles verdorben haben?«
»Schon. Aber das bringt doch alles nichts.«
Helga setzte mit einem Ruck ihre Kaffeetasse auf dem Tisch ab. »So, Mädels, Schluss damit. Ich habe keine Lust mehr, mir euer Gejammer anzuhören. Wie oft kommt es vor, dass wir Schwestern mal zusammen unterwegs sind?«
Claire und Kamilla blickten überrascht auf.
»Ich für meinen Teil bin froh, mal ein paar Tage woanders zu sein. Wir fünf in einer fremden Stadt. Das sollten wir genieÃen. Egal, wie es mit Toni läuft.«
Die anderen beiden wechselten lange Blicke.
»Im Grunde hast du ja recht«, sagte Claire schlieÃlich.
»Ja, schon. Irgendwie«, stimmte Kamilla zu.
»Heute Abend«, fuhr Helga fort, »wenn wir im Restaurant gewesen sind und mit Toni gesprochen haben â falls das überhaupt noch der Plan ist â, dann sollten wir anschlieÃend ein bisschen feiern gehen. Cocktails trinken und Tanzmusik hören. Statt mit trüben Gesichtern herumzusitzen.«
»Und Toni nehmen wir einfach mit«, schlug Kamilla vor.
»So machen wir es. Hauptsache, wir amüsieren uns.«
»Toni wird schon seinen Spaà mit uns alten Weibern haben«, sagte Claire,
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