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Fünf Tanten und ein Halleluja

Fünf Tanten und ein Halleluja

Titel: Fünf Tanten und ein Halleluja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Steiner
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wütend.
    Er rannte auf den Sandsack los. »Du!«, rief er mit sich überschlagender Stimme, als wäre er Miss Piggy auf Speed. »Das ist für dich!« Er prügelte auf den Sandsack ein, rutschte noch mal an derselben Stelle aus und fiel wieder hin, doch jetzt trat er am Boden liegend weiter. »Für dich!«, brüllte er. Dann machte er seiner Wut mit einem langen hysterischen Schrei Luft, sprang auf, rüttelte an der imaginären Tür, zischelte mit wachsender Wut: »Verdammt, verdammt, verdammt!«, schnappte sich den Postkartenständer, der ihm prompt aus der Hand rutschte und klirrend zu Boden fiel, packte ihn erneut und warf ihn mit einem Kampfschrei – einem durchdringenden und gellend lauten hohen C – durch die Scheibe. Er hüpfte durch das zerbrochene Fenster in die Freiheit und blieb auf der anderen Seite schwer atmend stehen.
    Versteinerte Gesichter bei den Filmleuten. Ihm war klar: Er war kein Actionheld gewesen. Eher eine Oma, die mit ihrer Handtasche auf einen Lustmolch losgeht. Trotzdem. Er fühlte sich um einiges besser. Diese Rolle hätte er ohnehin niemals bekommen. Das war er nicht, genauso wenig, wie er König Lear war. Er würde so etwas niemals spielen können, und am besten wäre, das einfach zu akzeptieren.
    Einer der Assistenten fing an zu kichern. »Oh, Scheiße!«
    Und damit war offenbar alles gesagt, denn weitere Kommentare folgten nicht.
    Â»Vielen Dank«, sagte der Regisseur schließlich und wandte sich dann an die anderen: »Ich würde sagen, jetzt haben wir uns unsere Mittagspause verdient.«
    Toni ging hinaus. Er fühlte sich seltsam befreit. Irgendwie störte es ihn gar nicht, dass seine Karriere einmal mehr den Bach runtergegangen war. Im Gegenteil. Er hatte ohnehin mit nichts anderem gerechnet. Und jetzt konnte er sich in den Park setzen, die Sonne genießen und warten, bis seine Wohnung wieder frei war.
    Im Treppenhaus stand plötzlich Kayla vor ihm. Eine Schrecksekunde lang passierte gar nichts. Dann versuchte Toni zu fliehen.
    Doch Kaylas Arm versperrte ihm bereits den Weg, und als er zur anderen Seite wollte, nahm sie den zweiten Arm hinzu. Er war gefangen, es gab kein Entkommen.
    Â»Wenn du meinst, du kannst dich so leicht vor mir verstecken, Toni Müller, dann hast du dich geirrt.«
    Flucht war also keine Option mehr. Half nur noch der Angriff.
    Â»Was willst du?«, rief er.
    Â»Ich will, dass du mitkommst und deinen Tanten die Chance gibst, dir alles zu erklären.«
    Â»Aber klar. Danke schön übrigens, Kayla. Ihr habt euch natürlich sofort gegen mich gewendet. Das hätte ich mir denken können. Ihr habt …«
    Da war etwas in ihrem Blick, das ihn verstummen ließ. Sie zog ihre Arme zurück und lehnte sich gegen die Wand. Er hätte gehen können. Aber so, wie sie ihn anfunkelte, war das unmöglich.
    Â»Also gut«, sagte sie genervt. »Jetzt bist du eben ein Bastard. Meine Güte. Und der Mann, von dem du dachtest, er wäre dein Vater, will nichts mit dir zu tun haben. Auch klar. Und jetzt? So ist das Leben, Toni. Es gibt Schlimmeres.«
    Er war sprachlos. Bei ihr hörte sich das so an, als wäre nur ein Liter Milch verschüttet worden.
    Â»Du bist nicht der Mittelpunkt der Welt. Versuch also einfach damit klarzukommen, und spiel hier nicht die Dramaqueen.«
    Â»Ich spiele …?« Das war ungerecht. Und es tat weh. »Mein ganzes Leben ist eine Lüge, und alle außer mir wussten Bescheid. Ist das etwa gar nichts?«
    Â»Mein Gott, Toni, denkst du, du bist der Einzige mit einer kaputten Familie?«
    Er sah sie erstaunt an. Kayla? Er hatte noch nie drüber nachgedacht.
    Â»Also gut, meine Mutter ist auf den Strich gegangen.« Sie blickte sich im Treppenhaus um. »Haben es alle gehört? Eine Nutte war sie. Und ich war ein gottverfluchter Unfall. Auch noch mit einem Schwarzen, als wäre es so nicht schon schlimm genug gewesen.«
    Â»Aber … Ich denke, sie hat in Neukölln in einer Trinkhalle gearbeitet?«
    Â»Ja, später, als sie zu alt war, um in ihrem Job noch Geld zu machen.«
    Â»Und dein Vater?«, fragte er.
    Â»Was weiß ich, keine Ahnung. Er soll ein amerikanischer GI gewesen sein, aber vielleicht war das auch eine Lüge. Sicher ist nur, dass er schwarz war. Sonst weiß ich nichts über ihn, nicht einmal seinen Namen.«
    Â»Ich denke, er hieß Barnes?«
    Â»Ach,

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