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Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen

Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen

Titel: Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Hafenmole von Kopenhagen und wartet, von der Sonne beleuchtet, von den Dänen erkannt, von der Résistance nach London gemeldet, auf die feindlichen Flugzeuge, die bei einem Angriff den unbewaffneten, wehrlosen Pott zusammendreschen müssen wie ein morsches Faß.
    Während Kapitän Bertram von Dienststelle zu Dienststelle geht und um Öl bettelt, fügt sich die Besatzung, verstärkt durch ein nutzloses Marinekommando, bei Skat, Schnaps, Schlaf und anderen einschlägigen Landservergnügungen in das unvermeidliche Finale: den Untergang nebst Heldentod …
    Noch immer ist es nicht soweit. Seit zehn Tagen wird die schwimmende Zielscheibe nicht angegriffen, obwohl das Wetter so klar ist, daß man von der Pier aus die rostigen Narben am Rumpf zählen kann. Tagsüber exerziert die Besatzung Beschäftigungstheorie, nach Dienstschluß Trinkgelage. Am Morgen sehen die Matrosen mit Brummschädel nach oben und warten inbrünstig auf schlechtes Wetter; denn sie vertrauen der grauen Waschküche mehr als der deutschen Flugabwehr.
    Funkmaat Möhrenkopf wechselte von Fusel auf Aquavit und ist jetzt eigentlich zufrieden, denn weiter denkt er längst nicht mehr. Er ist ein Praktiker und hat sich auf den Heldentod genauso eingerichtet wie auf seinen Marinespind …
    Sein Chef, Kaleu Straff, geht täglich an Land, um in einem Lazarett die Krankenschwester Jutta, ein junges, stilles Mädchen mit dunklen Haaren und hellen Augen, zu besuchen. Sooft er Jutta sieht, stellt er erfreut wie verwundert fest, daß das Leben in ihrem Gesicht noch nicht herumgepfuscht hat.
    Dann sitzt er neben ihr in ihrem Zimmer, bei einer Zigarette, bei einem Wort, bei einer Melodie, Schulter an Schulter, mitunter die Hand um ihren Nacken gelegt, verstohlen ihre Haare streichelnd: das ist alles, was er von ihr hat – und mehr wäre für ihn weniger …
    Seit er Jutta auf der letzten Fahrt der ›Cap Arcona‹ von Gotenhafen nach Kopenhagen bei einem vermeintlichen U-Boot-Angriff an sich zog und dabei vergaß, nach ihren Beinen zu sehen, muß sich Christian Straff um Jutta kümmern. Zuerst befahl er es sich fast verdrossen, bis er sich brummig eingestand, wie gern er es tat.
    Die von der ›Cap Arcona‹ glücklich nach Kopenhagen geschafften Verwundeten, fast 10.000, sind längst ausgeschifft und auf die verschiedenen Lazarette der dänischen Hauptstadt verteilt. Das Sanitätskommando, zu dem Jutta gehörte, nutzte die Zwangspause zu einem kurzen Urlaub in der Heimat; nur die junge Schwester blieb freiwillig als Gast bei einer fremden Dienststelle.
    Sie hat heute frei und könnte mit Christian ausgehen, aber die beiden ziehen es vor, auf Juttas Zimmer zu bleiben, dem die junge Schwester durch ein paar geschickte Griffe Stil und Wohnlichkeit gab. Sie wirkt gelockert, fast lebhaft, summt eine Melodie vor sich hin und freut sich offensichtlich über den Besuch.
    Draußen vor dem Fenster, auf dem großen Platz, ist der Vorfrühling mit erstem, schüchternem Grün eingezogen. Die Luft ist weich, wattiert, und die Passanten haben es eilig, gehen zum Rendezvous der Liebe oder des Untergrunds. Landser in feldgrauen Uniformen hetzen in den Torschluß des Vergnügens.
    Jutta betrachtet Christian Straff, der es nicht bemerken will. Zuerst, an Bord der ›Cap Arcona‹ noch, mochte sie ihn einfach, weil er ihr in einer gehetzten Situation half. Später hat ihr seine Zurückhaltung imponiert, und erst in den letzten Tagen gestand sich Jutta, wie sehr ihr der Seeoffizier auch als Mann gefällt: Sie mag seinen freien Blick, seine kräftigen Hände und die distanzierte Art, mit der er sein persönliches Geschick betrachtet, als sei es losgelöst vom Massenschicksal.
    »Weißt du«, sagt Christian Straff, »es ist schön, daß du hier in Kopenhagen bist … Aber ich denke falsch und egoistisch … Bald ist hier der Teufel los, und dann …«
    »Ich schlag' mich schon durch.« Jutta lächelt fein, ein bißchen spöttisch. »Du siehst mich an, wie …«
    »Wie?« fragt er.
    »… eine mißratene Nichte … Onkel Christian.«
    »Sag nicht Onkel!« entgegnet er heftig.
    »Dann sieh mich auch nicht so an«, erwidert sie, »und vor allem: Behandle mich nicht so … Ich bin dreiundzwanzig und …«
    »… ein Kind«, antwortet Christian Straff. Er lacht halblaut und befangen. »Ein liebes, dummes Kind.«
    Er steht auf, steckt die Hände in die Taschen, Hände, die sich nicht an Jutta vergreifen sollen, so gerne sie es auch täten …
    Aber Christian Straff will keine

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