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Fünf

Fünf

Titel: Fünf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Seite, weg von Beatrice.
    «Daher haben wir die Theorie, dass der Täter Ihnen bekannt gewesen sein muss», fuhr sie fort. «Es gibt eine Reihe von weiteren Gründen, aus denen ich immer noch glaube, dass das so ist. Aber Herrn Wenninger haben Sie erklärt, es sei ein Unbekannter gewesen.»
    Er rührte sich nicht. Beatrice spürte, wie Ungeduld in ihr aufstieg, und zählte leise bis fünf. Sie gab sich und ihm Zeit. Durchatmen. Sigart roch nicht mehr nach Blut, Kot und Urin, sondern nur noch nach Wunddesinfektionsmittel.
    «Wenn Sie ihn nicht kannten, warum haben Sie ihm dann Ihre Tür geöffnet? Das verstehe ich einfach nicht.»
    War er wieder eingeschlafen, oder waren ihm die Fragen unangenehm? Beatrice versuchte es weiter, so behutsam, wie sie nur konnte, doch Sigart reagierte nicht mehr.
     
    Seit der MMS mit Sigarts abgehacktem Mittelfinger hatte der Owner sich nicht mehr gemeldet. Sie hatten die Wälder um den Keller herum, in dem sie Sigart gefunden hatten, mit Hunden durchsucht, aber keine Spur gefunden. Drasche war von der Spurenlage im Keller völlig perplex gewesen: «Wir haben Fingerabdrücke aller Opfer, aber keinen einzigen vom Täter. Er muss durchgehend Handschuhe getragen haben.» Das immerhin deckte sich mit Sigarts Aussage.
    Gedankenverloren arbeitete Beatrice sich noch einmal durch die SMS des Owners, las eine nach der anderen. Langsam. Kalt, ganz kalt.
    Hatte seine plötzliche Schweigsamkeit mit Dalamasso zu tun? War es Frustration, weil er nicht an sie herankam?
    Nein, dachte sie. Er hätte sich Melanie holen können, bevor wir das Rätsel um sie gelöst hatten. Wie bei Estermann.
    Melanie. Die Telefonnummer ihrer Mutter hatte Beatrice im Handy gespeichert. Sie durfte jetzt nur nicht lange grübeln, sonst würde sie der Mut verlassen.
    «Dalamasso.»
    «Guten Abend, hier ist Beatrice Kaspary vom LKA .»
    Tiefes Durchatmen. «Ja?» Eine knappe Silbe voller Abneigung. Doch immerhin legte die Frau nicht auf.
    «Ich möchte mich für mein Verhalten entschuldigen. Es war nicht in Ordnung. Wie geht es Melanie?»
    «Sie ist … es geht ihr ein bisschen besser. Aber sie versucht immer noch, sich zu verletzen, und schläft kaum, außer unter starken Barbituraten.»
    «Das tut mir sehr leid.»
    Keine Antwort diesmal.
    «Wollen Sie sonst noch etwas?», fragte Carolin Dalamasso schließlich. Knapp, eisig, unverkennbar auf ein Nein hoffend.
    «Ja, um ehrlich zu sein. Ich würde Sie gerne etwas fragen.» Sie nahm das Schweigen am anderen Ende der Leitung als Zustimmung. «Hat Melanie schon früher so reagiert? Gab es Anlässe oder bestimmte Auslöser, die sie so verstört haben wie meine Fotos?»
    Sie rechnete mit einer abweisenden oder gar keiner Antwort, aber sie irrte sich.
    «Kinder.»
    «Wie bitte?»
    «Sie hat einige Male stark auf Kinder reagiert, besonders auf laute. Aber nur im ersten Jahr nach ihrem Zusammenbruch, dann ließ das nach.» Carolin Dalamasso seufzte. «Als sie in der Schule war, gab es einige Mitschüler, die ihr sehr zugesetzt haben. Heute würde man Mobbing dazu sagen. Die Ärzte denken, dass diese Erlebnisse beim Anblick von Kindern getriggert wurden.»
    «Ich verstehe.» Ja, ich glaube, das tue ich wirklich, aber anders als Sie meinen, dachte sie. «Vielen Dank, Frau Dalamasso. Ich wünsche Melanie das Allerbeste. Meine Kollegen passen weiterhin auf sie auf.»
    «Ich weiß. Sind wir jetzt fertig?»
    «Ja. Nochmals danke. Auf Wieder–» Der Rest des Wortes ging im Tuten des Besetztzeichens unter. Carolin Dalamasso hatte aufgelegt.
     
    Der Verdacht, den Beatrice die darauffolgende Nacht und den ganzen nächsten Tag mit sich herumtrug, war viel zu vage, um ihn anderen gegenüber auszusprechen. Florin, der sie auf ihre Schweigsamkeit ansprach, speiste sie mit einer ebenso kurzen wie nichtssagenden Antwort ab, danach überließ er sie ihren Gedanken.
    Mehrmals ertappte sich Beatrice dabei, wie sie einfach nur dasaß und die Schreibtischplatte anstarrte. Nach außen hin musste sie untätig wirken, doch in ihrem Inneren drehte sich unablässig das Kaleidoskop, ausgestattet mit einigen neuen Steinchen.
    Drasches Verwunderung über den Keller. Die Schweigsamkeit des Owners. Eine Infusionsnadel.
    Die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade der Rätsel.
    Sie schüttelte den Kopf. Aber warum überhaupt Rätsel, wozu?
    Und dann die Hinweise auf Evelyn, die sie schon viel früher hätte verstehen müssen.
    «Kaffee?» Florin stand neben der Espressomaschine und hielt zwei Tassen hoch.
    Am

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