Fünf
Abstand zu den beiden Spurensicherern, die sich langsam, Schritt für Schritt, auf die angegebene Stelle zubewegten. Unterhalb der Autobahnbrücke war es schauderhaft laut, doch kaum gelangte man ans Tageslicht, blieb vom Verkehrslärm das meeresartige Rauschen, gepaart mit dem Plätschern eines Baches, der rechts von ihnen entlangfloss und ein Stück weiter oben von einem Mäuerchen aus groben Steinen gestaut wurde. Ein kleiner Wasserfall sprudelte aus einem Loch in der Mitte dieser Mauer.
Hübsch, aber kein Versteck
. Beatrice beobachtete Drasche dabei, wie er vor- und zurücktrat, sich um sich selbst drehte und das GPS -Gerät schließlich Ebner in die Hand drückte.
«Das dämliche Ding gibt mir alle drei Sekunden eine andere Richtung an.»
«Das heißt, du bist praktisch da!», rief sie ihm zu. «Such mal fünf Meter Umkreis ab.»
Drasches Flüche wurden nur notdürftig vom doppelten Rauschen verschluckt. «Soll ich etwa ein Loch in den Boden buddeln?»
«Nein, du musst –» Sie ging ein paar Schritte vor und deutete auf die Mauer. «Verstecke suchen. Geocaches liegen oft in Spalten oder Höhlen. Man soll sie nicht auf den ersten Blick finden.»
«Dann liegt er vielleicht im Wasser», höhnte Drasche und hob einen großen Stein am Rand des Bachbetts an, bevor er gemeinsam mit Ebner zu der kleinen Mauer hinaufstieg. «Schlamm, Matsch, Äste», kommentierte er. «Das GPS behauptet jetzt, wir seien dreizehn Meter daneben.»
Beatrice wechselte einen Blick mit Florin. Hatten sie es verbockt? War der Cache schon fort?
In Gedanken kehrte sie zu der Suche vom Vortag zurück, zu der Höhle, in die sie mit Stefan gekrochen war.
«Er gibt uns keine Geländewertung», murmelte sie.
Florin trat neben sie. «Was hast du gesagt?»
«Geländewertung. Normalerweise hast du bei jedem Cache Sternchen, die dir anzeigen, wie schwer er zu finden ist. Dann weißt du, ob du eventuell klettern oder herumrobben musst …» Ihr Blick blieb an dem Gestrüpp hängen, das rund um das Bachufer wucherte. Butterblumen, hüfthohe, spitzblättrige Pflanzen, die sie nicht kannte, und –
«Gerd!»
Drasche fuhr herum. «Was denn?»
«Steig da noch mal runter und komm in meine Richtung. Ja, noch ein paar Schritte – stopp! Ist das links von dir eine Baumwurzel?»
Er bückte sich, und Beatrice trat näher heran, um besser sehen zu können. «Ja. Völlig zugewachsen.»
«Greif drunter – dort, wo die Wurzelenden ins Wasser hängen. Von meiner Position aus sieht es so aus, als wäre da eine Einbuchtung.»
Drasches behandschuhte Finger tasteten sich nach unten. Er hätte leichter Zugang gefunden, wäre er ins schlammige Bachbett gestiegen, doch das versuchte er offenbar zu vermeiden. Eigene Spuren ruinieren Täterspuren. Sein Lieblingssatz.
Kniend kam Drasche nicht heran, also legte er sich auf den Bauch und ließ den Arm bis zur Schulter in dem Loch zwischen Wurzel und Bachbett verschwinden.
Wäre ich der Owner, dachte Beatrice, hätte ich diesen Platz gewählt. Niemand greift da nur zum Spaß rein.
Drasches triumphierender Aufschrei ließ sie zusammenzucken. Er zog seinen Arm hervor und brachte einen Behälter ans Licht, an dem Schlamm und kleine Steinchen klebten. Ein Regenwurm verlor den Halt und stürzte ins Gras.
Sie hatten recht gehabt. Die Erleichterung strömte durch Beatrices Körper, wohltuend wie Sauerstoff nach langem Luftanhalten. Florins Arm legte sich um ihre Schultern.
«Gute Arbeit, Bea.»
Sie traten näher, Ebner war gerade dabei, Fotos zu schießen, von der Box, dem Bach, der Wurzel und der Umgebung, bevor Drasche den Cache in einen seiner eigenen Transportbehälter legte. «Tut mir leid, aber hier wird gar nichts geöffnet», sagte er an Beatrice und Florin gewandt. «Erstens hätte ich gern Laborbedingungen, zweitens habe ich keine Lust, auf den Leichenwagen warten zu müssen, falls wieder ein Körperteil drin sein sollte.»
Sie bezwangen ihre Ungeduld nur mit Mühe. Beatrice war weniger gespannt auf den grausigen Trade, den sie in der Schachtel vermutete, als auf die Nachricht, die hoffentlich wieder darin enthalten war. Ein Hinweis auf die nächste Stage, vielleicht ein Hinweis auf den Owner selbst, ein Fehler, endlich.
Doch es dauerte. Drasche und Ebner begannen, Schlammproben zu nehmen und die Umgebung auf eventuelle weitere Spurenträger abzusuchen. Als sie sich endlich auf die Fahrt ins Labor machten, kam der Weg ihr weiter vor als sonst, und selbst das Anlegen der Schutzkleidung im Vorraum
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