Fünf
Narben, innen wie außen.
«Stage drei ist geknackt», sagte sie.
«Wieso hört sich das so niedergeschlagen an?» Florin war eben aufgestanden, um die Espressomaschine einzuschalten, die nun gurgelnd zum Leben erwachte.
«Weil ich mir unter einem Verlierer noch heute Morgen etwas anderes vorgestellt hatte.» Sie räusperte sich und begann, den Zeitungsartikel vorzulesen, auf den sie bei ihrer Internetrecherche gestoßen war.
«Bei einem Brand nahe Scharten im Pongau kamen in der vergangenen Nacht drei Kinder und eine Frau ums Leben. Das Feuer, das möglicherweise durch Arbeiten im umgebenden Wald ausgelöst wurde, brach gegen 22 Uhr aus. Die getötete Familie befand sich in einer Holzhütte, die sie als Urlaubsdomizil gemietet hatte, und dürfte im Schlaf vom Feuer überrascht worden sein. Der Ehemann und Vater, Tierarzt Dr. Bernd S., war zu einem Notfall gerufen worden und kehrte erst zurück, als Wald und Hütte bereits in Vollbrand standen. Beim Versuch, zu dem brennenden Gebäude vorzudringen, erlitt er eine Rauchgasvergiftung und Verbrennungen unbekannten Grades. Er befindet sich im Unfallkrankenhaus Salzburg und ist laut Ärzten außer Lebensgefahr. Die Löscharbeiten dauerten bis in die frühen Morgenstunden an.»
Sie erinnerte sich an die Geschichte. Der Fall hatte die Brandermittler monatelang beschäftigt, man hatte die Ursache des Feuers nicht zweifelsfrei feststellen können, war aber sicher, dass es sich nicht um Brandstiftung gehandelt hatte.
«Was für eine Tragödie», hörte sie Florins leise Stimme hinter sich. «Wie lange ist das her?»
«Bald fünf Jahre.»
Er setzte sich wieder an seinen Computer. «Und hier haben wir das nächste passende Puzzleteil», meldete er. «Die Adresse, an der Sigart gemeldet ist. Theodebertstraße 13 . Die Straße beinhaltet einen Namen, genau wie Nora Papenberg geschrieben hat.»
Sie fuhren eine halbe Stunde später los. In Beatrices Magen saß die Geschichte über den Brand fest wie ein Stein, sie nahm sich vor, dem Mann mit besonders viel Einfühlungsvermögen zu begegnen. Zum Heben des Cache genügte der Straßenname allein, dazu mussten sie Sigart nicht extra besuchen. Aber falls er Nora Papenberg gekannt hatte, brauchten sie seine Informationen dringend.
Nummer dreizehn war ein mehrstöckiges Haus mit kleinen Balkonen, noch ein bis zwei Schritte davon entfernt, abgenutzt zu wirken. Ein sehr bescheidenes Heim für einen Tierarzt. Beatrice fand Sigarts Klingel, kurz darauf drang eine tiefe, aber leise Stimme durch die Gegensprechanlage.
«Ja?»
«Polizei. Wir kommen vom Landeskriminalamt Salzburg und müssten Sie kurz sprechen.»
Keine Antwort, auch kein Summen des Türöffners.
«Hallo?», setzte sie nach.
«Was wollen Sie von mir?»
«Es geht um einen aktuellen Fall, wir hätten ein paar Fragen. Es wird nicht lange dauern.»
«Erster Stock.»
Im Treppenhaus roch es nach Gummi und gedünsteten Zwiebeln, hinter einer Tür im Erdgeschoss brüllte ein Baby. Sigart erwartete sie in der Tür, ein ausgezehrter Mann in einer viel zu locker sitzenden Jogginghose. Der Akte zufolge musste er Mitte vierzig sein, doch die tiefen Falten in seinem Gesicht ließen ihn gut zehn Jahre älter wirken. Er hielt die Arme vor der Brust verschränkt, erst als er ihnen zur Begrüßung eine Hand entgegenstreckte, sah Beatrice die Brandnarben. Aufgeworfenes, rötliches Gewebe, das seinen linken Unterarm vom Ellenbogen bis zu den Fingern bedeckte, ebenso wie seinen Hals bis knapp unters Kinn. Sie nahm Sigarts Hand und erwiderte seinen festen Druck. «Beatrice Kaspary, Landeskriminalamt. Das hier ist mein Kollege Florin Wenninger. Wir ermitteln in einem Mordfall und hätten ein paar Fragen, von denen wir hoffen, dass Sie sie uns beantworten können.»
Die Wohnung war winzig. Ein Zimmer mit Kochnische und ein kleines Bad. Kein einziges Bild an der Wand, kein Spiegel. In der Ecke stand ein alter tragbarer Fernseher auf einem Hocker, daneben ein wackelig wirkender Tisch mit nur einem Stuhl, auf den Sigart nun zeigte. «Setzen Sie sich doch», bat er Beatrice.
«Danke, aber –» Sie wollte nicht als Einzige sitzen und folgte seiner Aufforderung erst, als er zwei Klappstühle vom Balkon holte und zum Tisch stellte.
«Sie haben möglicherweise von der Toten gehört, die auf einer Kuhweide in der Nähe von Abtenau gefunden wurde», begann Florin. «Um diesen Fall geht es. Es gibt da ein Detail, das uns zu Ihnen geführt hat.»
Sigarts Blick wanderte durch den
Weitere Kostenlose Bücher