Fünf
Raum. «Ein Detail?»
«Ja. Ich kann leider nicht genauer werden. Sie sind nicht verdächtig, wir würden nur gerne wissen, ob Ihnen der Name Nora Papenberg ein Begriff ist.»
Im Gegensatz zu Beil tags zuvor dachte Sigart nach, bevor er redete. «Ich fürchte, nicht. Aber seriös kann ich Ihnen die Frage nicht beantworten», sagte er. Er sprach langsam, als müsse er jedes Wort auf Korrektheit prüfen, bevor er es in den Raum entlassen konnte. «In der Praxis bin ich täglich so vielen Menschen begegnet, gut möglich, dass Frau Papenberg dabei war.» Er überlegte kurz. «Wenn Sie möchten, sehen Sie doch in der Kartei nach. Dr. Amelie Schuster hat meine Praxis mit allen Patienten übernommen, ich bin sicher, sie hilft Ihnen gern weiter.»
Das war keine üble Idee. Beatrice notierte sich den Namen der Tierärztin, dann holte sie die Fotos aus ihrer Tasche. «Das hier ist Nora Papenberg. Vielleicht erkennen Sie sie am Gesicht.»
Sie beobachtete ihn genau, während er die Bilder studierte. Aber das winzige Zucken, der kaum merkliche Ruck, der gestern durch Beil gegangen war, blieb bei Sigart aus. «Nein», sagte er schließlich. «Tut mir leid.»
Beatrice versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. «Es ist sehr wahrscheinlich, dass es eine Verbindung zwischen Ihnen und dieser Frau gibt. Vielleicht fällt Ihnen doch noch etwas ein?»
Er schüttelte den Kopf. «Ich gehe fast nie unter Menschen. Ich bin sicher, dass Sie meine Geschichte recherchiert haben, bevor Sie hergekommen sind – dann wissen Sie ja …» Er verstummte abrupt. Dann atmete er tief durch und fuhr fort: «Ich arbeite nicht, habe alles verkauft und lebe vom Erlös.» Er strich mit der linken Hand über die Narben, als wolle er ihre Höhen und Tiefen ausloten. «Aus dem Haus gehe ich fast nur zum Einkaufen oder wenn ich in die Therapie fahre.»
Der Horror, der Sigarts Dasein verformt hatte, ergriff für die Dauer eines Herzschlags Besitz von Beatrice, inklusive der irrealen Angst, sein Schicksal könne auf sie überspringen. Dann war der Moment vorbei.
«Wäre es möglich», tastete sie sich vorsichtig an einen neuen Gedanken heran, «dass Ihre Frau Nora Papenberg gekannt hat? War sie eventuell in der Werbebranche?»
Kopfschütteln. «Meine Frau hat mit mir gemeinsam in der Praxis gearbeitet, sie war für die Büroarbeit zuständig. Das ließ … sich ganz gut … mit den Kindern vereinbaren.» Sigart drehte den Kopf zur Seite. «Entschuldigen Sie bitte, ich kann darüber nicht sprechen.»
«Natürlich. Das müssen Sie auch nicht.» Ein schneller Blick zu Florin, der mit den Schultern zuckte.
«Wir lassen Ihnen unsere Telefonnummern da, Herr Sigart», sagte er. «Vielen Dank für Ihren Vorschlag mit der Patientenkartei, und danke auch für Ihre Zeit.» Er stand auf, und Beatrice tat es ihm nach, drehte sich im Hinausgehen aber noch einmal um.
«Sagt Ihnen der Name Christoph Beil eventuell etwas?»
Sigart, nach wie vor darum bemüht, seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu bekommen, schüttelte den Kopf. «Nein. Wer ist das?»
«Auch jemand, von dem wir gehofft haben, er könnte Nora Papenberg gekannt haben.»
Ob Sigart sie gehört hatte, war schwer zu sagen, denn er reagierte nicht mehr. Das Letzte, was Beatrice von ihm sah, bevor sie die Wohnung verließ, waren seine gebeugten, zuckenden Schultern.
Noch auf der Fahrt zurück ins Büro holte Beatrice ihr Handy hervor und wählte die Nummer der Abteilung Brandermittlung. «Schick mir bitte alle Unterlagen zu dem Brand bei Scharten. Ja, der, bei dem die Familie ums Leben gekommen ist. Wie bitte? Nein, war kein Mord, ich weiß, aber ich bräuchte trotzdem ein paar Details für unseren aktuellen Fall.»
Der Kollege versprach ihr, die Unterlagen sofort vorbeizubringen. Sie steckte das Handy in ihre Tasche und lehnte sich auf dem Beifahrersitz zurück. «Warum schickt der Owner uns zu Sigart? Was bringt ihm das?»
«Zeit möglicherweise.» Florins Finger trommelten auf das Lenkrad, während er darauf wartete, dass die Ampel auf Grün sprang. «Ich denke, es gibt zwei Möglichkeiten. Erstens: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Papenberg, Beil und Sigart, den wir nicht sehen. Zweitens: Er hält uns auf Trab, indem er uns zu Leuten schickt, die nicht das Geringste mit dem Mord zu tun haben. Da er aber nun mal Leichenteile für uns versteckt, sind wir gezwungen, seiner verdammten Blutspur zu folgen.» Er drückte auf die Hupe, weil vor ihm jemand abrupt gebremst hatte,
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