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Fünf

Fünf

Titel: Fünf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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fuhr sich mit der Hand über die Stirn und seufzte. «Ich werde das Gefühl nicht los, dass der Owner uns verarscht, Bea. Er mordet und zerstückelt und legt Spuren, die keiner deuten kann.»
    Die nächste Ampel schaltete auf Rot, und Florin wandte den Kopf zu Beatrice um. Sie hatte sein Gesicht noch nie so hart gesehen. «Ich weiß, dass es falsch ist, aber ich fange an, diesen Fall persönlich zu nehmen. Wenn er beweisen will, wie unfähig die Polizei ist, soll er mich gefälligst nicht als Demonstrationsobjekt benutzen.»
    Beatrice war versucht, ihm eine Hand auf die Schulter zu legen, dachte dann an Anneke und ließ es bleiben. «Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir ein Ende des Falls zu fassen kriegen, und dann lässt der Rest sich aufrollen.» Es war kein Fehler, wenn zur Abwechslung mal sie diejenige war, die die Moral im Team stärkte. «So ist es doch fast immer.»
    Die Ampel sprang wieder auf Grün, der Motor heulte auf, als Florin aufs Gas stieg. «Schon wahr», sagte er. «Trotzdem stimmt mit diesem Fall etwas nicht. Der Faden, von dem du sprichst, ist in einem völlig fremden Muster verwebt.»
     
    Es war, als hätte Beatrice mit den Unterlagen zu dem tödlichen Brand eine Ahnung von Hitze und Rauch mit nach Hause genommen. Sie hatte das Gefühl, schwerer zu atmen als sonst, obwohl beide Wohnzimmerfenster gekippt waren.
    Die Kinder schliefen seit einer halben Stunde. In der Wohnung war es still, wenn man vom Wasserhahn in der Küche absah, der schon seit drei Wochen tropfte. Sie schlug die Akte auf und begann zu lesen. Der Brand war kurz vor 22  Uhr gemeldet worden, von einem Bauern, dessen Hof wenige hundert Meter hangaufwärts lag. Ihm war der Feuerschein aufgefallen, zu riechen sei nichts gewesen, da der Wind in die andere Richtung geweht hatte.
    Beatrice blätterte vorwärts, blieb an Fotos hängen. Niedergebrannter Wald. Reste von Baumstämmen ragten aus dem Boden wie schwarze Zähne, dazwischen lag verkohltes Holz, im Hintergrund ließ sich der Teil des Waldes erahnen, der verschont geblieben war.
    Die Brandursache hatten die Gutachter nicht feststellen können. Es war Juli gewesen, und es hatte seit drei Wochen nicht mehr geregnet. Am wahrscheinlichsten war, dass durch die Reflexion einer Glasscherbe oder eines Spiegels am Tage ein Schwelbrand entstanden war, den der Abendwind in offenes Feuer verwandelt hatte. Auch eine weggeworfene Zigarette war nicht auszuschließen.
    Als Beatrice zu den Fotos der Hütte gelangte, hielt sie unwillkürlich die Luft an. Die Wände waren verschwunden, nur die dicksten Holzbalken hatten das Inferno überstanden, ebenso wie zwei Mauern, die aus Stein gewesen waren.
    Länger als nötig verharrte sie bei den Bildern des zerstörten Hauses, sie wusste, was danach kommen würde.
    Einatmen. Umblättern. Eine Nahaufnahme von Resten der geborstenen Eingangstür. Umblättern. Da waren sie.
    Vier formlose Klumpen, schwarz wie ihre Umgebung. Auf einen Bruchteil ihrer Körpergröße geschrumpft, nicht mehr als Menschen erkennbar. Beatrice sah weg, sah wieder hin. Fand Details, die sie nicht sehen wollte. Ein Blitzen heller Zähne hinter verschmorten Lippen. Eine gesprengte Schädelkapsel. Sie klappte die Akte zu und holte sich ein Glas Wasser aus der Küche.
    Ob Sigart seine Familie damals identifiziert hatte? Sie suchte nach dem Vernehmungsprotokoll. Er war zurückgekehrt, als der Wald bereits hoch in Flammen stand, hatte versucht, ins Feuer zu laufen, und war von drei Einsatzkräften gewaltsam zurückgehalten worden. Man hatte ihn mit schweren Verbrennungen ins Krankenhaus eingeliefert; das Gespräch mit dem Beamten hatte erst neun Tage nach dem Brand stattgefunden, es war auf Tonband aufgezeichnet und später ins Reine geschrieben worden.
    Aus jedem von Sigarts Satzfragmenten sprach schiere Verzweiflung. Immer wieder hatte die Vernehmung unterbrochen werden müssen, weil er zu schreien begann und die Ärzte gerufen werden mussten.
    Was allerdings deutlich aus dem Dokument hervorging, war, dass er sich selbst die Schuld am Tod seiner Familie gab. Er hatte das Auto genommen, als er zu einem Notfall gerufen wurde, einer schwierigen Geburt in einem Gestüt, dreißig Kilometer entfernt. Als er losfuhr, war er in Gedanken bereits ganz bei dem Muttertier gewesen, das er seit vier Jahren ärztlich betreute. Er hielt es für möglich, dass er aus reiner Routine die Hütte abgesperrt und sie damit in eine tödliche Falle für seine Familie verwandelt hatte. Tatsächlich war die

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