Fünf
geräuschvoll aus. «Wie ist es passiert?»
«Das wissen wir noch nicht genau, aber wir sind dabei, es herauszufinden.» Niemand konnte ausweichende Antworten mit so viel Nachdruck geben wie Florin, dachte Beatrice.
«Wie oft hatten Sie denn in letzter Zeit Kontakt?», erkundigte sie sich, um weitere Fragen, die zwangsläufig zu eingeschweißten Leichenteilen führen mussten, gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Die Hände der Frau wanderten zu einem Teelichthalter in Form eines Holzboots und begannen, ihn zu drehen. Rechts, links, rechts. «Kaum. Ich habe seit Jahren eine neue Beziehung. Herbert und Dietmar vertragen sich nicht besonders –» Sie sah hoch, offenbar in dem plötzlichen Bewusstsein, dass sie soeben ihrem Lebensgefährten den Status «verdächtig» verpasst hatte. «Aber sie haben sich nie richtig gestritten», fügte sie hastig hinzu.
«Ich verstehe, was Sie meinen.» Florins Lächeln hatte den gewünschten beruhigenden Effekt, und Beatrice überließ ihm bereitwillig das Abarbeiten des üblichen Fragenkatalogs: Wann zum letzten Mal gesehen, gab es Feinde, Schulden, merkwürdige Kontakte …
Die Antworten, die Liebschers geschiedene Frau gab, zeichneten das Bild eines unauffälligen Lebens ohne Höhepunkte. Ein Lehrer, der seinen Job gern tat, nebenbei Nachhilfe gab, um das Gehalt aufzubessern, und in seiner Freizeit wanderte, manchmal Mountainbike fuhr, keine Schulden hatte und bei den Schülern weder beliebt noch verhasst war.
«Wieso haben Sie sich eigentlich scheiden lassen?», fragte Beatrice. Die Antwort war keine Überraschung: Überdruss, Eintönigkeit. Jeder war seiner Wege gegangen, und dann hatte Romana Liebscher einen anderen Mann kennengelernt.
«Wir sind seit drei Jahren geschieden und haben uns in der Zeit vielleicht fünf Mal gesehen, das letzte Mal vor acht oder neun Monaten», sagte sie. «Es ist furchtbar, aber ich kann Ihnen überhaupt nichts über ihn erzählen. Nicht einmal, ob er eine Freundin hatte.» Jetzt, und zu ihrer eigenen Erleichterung, wie es schien, brach sie in Tränen aus.
Sie ließen ihr die Zeit, die sie brauchte, um sich wieder zu beruhigen.
«Werde ich ihn identifizieren müssen?», flüsterte sie.
«Nein, das ist nicht nötig.» Florins Antwort kam etwas zu schnell und zu bestimmt. Die Frau schaute hoch.
Sie ist nicht dumm, dachte Beatrice. Sie hat gerade kapiert, dass sie sich Fragen nach den Details besser sparen sollte.
«Es ist ein komplizierter Fall, dessen Einzelheiten noch nicht an die Öffentlichkeit gelangen dürfen», erklärte Florin. «Ich verspreche Ihnen, wir informieren Sie, wenn wir den Täter und die Zusammenhänge kennen.»
«Können Sie mir nicht wenigstens sagen, ob er erschossen oder erschlagen wurde? Ob es schnell gegangen ist?»
Beatrice dachte an das Ohr. An eine Heckenschere.
«Tut mir leid.» Sie legte all ihr ehrliches Mitgefühl in diese drei Worte. «Im Moment wissen wir das noch nicht. Aber Sie würden uns bei den Ermittlungen sehr helfen, wenn Sie sich diese Fotos ansehen.»
Obwohl sie sich nicht viel davon erhoffte, holte Beatrice die Bilder von Nora Papenberg aus der Tasche. Aber das Gesicht war Romana Liebscher völlig unbekannt.
Auf dem Weg zu Herbert Liebschers Wohnung herrschte gedrückte Stimmung im Auto, obwohl Florin im Radio ständig nach Sendern mit fröhlichem Musikprogramm suchte. Draußen wurde es schon dunkel, und Beatrice sah auf die Uhr. Acht vorbei. Sie würden sich in der Wohnung einen ersten Überblick verschaffen und nach Hinweisen auf Freunde und Bekannte suchen. Den Computer mitnehmen, falls einer vorhanden war. Mit den Nachbarn sprechen.
Die Wohnung lag im zweiten Stock ohne Aufzug. Als sie die Tür aufschlossen, empfing sie der Geruch nach alten Möbeln und nach Küchenabfällen, die dringend entsorgt gehörten.
«Ich gehe voraus, wenn es dir recht ist», erklärte Florin. Eine schnelle Runde durch die wenigen Räume, und es war klar, dass sie allein hier waren.
Liebscher hatte nicht viel Platz gebraucht. Zwei Zimmer, eine Küche mit Essplatz, Bad und Toilette in einem. Auf dem Küchentisch standen ein voller Aschenbecher und das Geschirr von Liebschers letztem Frühstück – das halbgegessene Marmeladenbrot hatte Schimmel angesetzt, der Rest Kaffee in der Tasse war zu einer bodenbedeckenden, schwarzen Schicht vertrocknet. In Beatrice regte sich die gleiche Traurigkeit, die sie beim Anblick von Nora Papenbergs angebrochener Schokolade empfunden hatte. Sie wandte sich ab, machte
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