Fünf
gelang.
«Hallo?»
Er wartete, bemühte sich, nicht zu atmen, die Anwesenheit eines weiteren Menschen zu erfühlen, doch es war still um ihn, leer.
Seine eigene Schuld. Er war gewarnt worden, hatte kein Wort davon ernst genommen, und jetzt …
Die Angst schwoll an, durchbrach die dünne Membran aus Beherrschung, von der sie umschlossen gewesen war. Er brüllte, obwohl sein Kopf zu bersten drohte, er schrie vor Panik.
Doch niemand kam, und nach einiger Zeit war er wieder still, wartete stumm. Versuchte, an seine Familie zu denken, aber das machte alles nur schlimmer. Hinter der straffen Augenbinde sammelten sich Tränen. Die Schleimhäute in seiner Nase schwollen an.
«Dann sind wir also so weit», hörte er jemanden hinter sich sagen. Reflexartig wollte er sich umdrehen, grub sich aber die Fesseln nur noch tiefer ins Fleisch.
«Was wollen Sie von mir?», krächzte er.
«Antworten.»
Er schluckte, sprach die nächstliegende Frage –
Antworten worauf?
– nicht aus. «Wenn ich Ihnen sage, was Sie wissen möchten, lassen Sie mich dann leben?»
Die Stille war so vollkommen wie vorher, als müsse der Mann hinter ihm nicht atmen. Dann spürte er eine Hand auf seinem Kopf.
«Ich werde Ihnen verraten, wie es sein wird. Erst werden Sie lügen. Danach werden Sie die Wahrheit sagen. Und am Ende werden Sie sterben.»
01 . 26 zeigte die Uhr auf ihrem Computer. Allmählich verlor die Welt um Beatrice herum ihre scharfen Konturen. Eigentlich hatte sie nach dem Besuch bei den Kindern nur noch kurz im Büro vorbeifahren wollen, um ein paar Akten zu holen, doch dann hatte sie zwei neue Berichte gefunden, zu recherchieren begonnen, und nun waren vier Stunden vergangen. Die SMS noch, dann nach Hause.
Lassen Sie sich helfen
, tippte sie in ihr Handy, nur um den Satz sofort wieder zu löschen. Es war etwa der zwanzigste Versuch, eine Botschaft zu formulieren, die den Owner dazu bewegen würde, sich mit ihr auf einen Dialog einzulassen. Doch sie fand den richtigen Ton nicht. Entweder klangen ihre Nachrichten herrisch oder erbärmlich. Die letzte toppte alles, indem sie ihm unterstellte, dass er verrückt war.
«Ist er natürlich auch», murmelte Beatrice.
«Wie bitte?»
«Entschuldige, Florin. Ich habe mit mir selbst gesprochen.» Sie lächelte, aber es fühlte sich kläglich an. «Soll ich uns Kaffee machen?»
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und hob die Augenbrauen. «Selbstmord durch Koffein. Aber ich könnte auch einen vertragen. Bleib sitzen, ich kümmere mich darum.» Schnarrend setzte sich die Espressomaschine in Gang. «Du kämpfst immer noch mit der SMS , ja?»
«Absolut.»
«Wir sollten uns den Text gemeinsam überlegen.»
«Da bin ich nicht sicher.» Sie sah aus dem Fenster in die Dunkelheit hinaus, doch ihr eigenes blasses Spiegelbild in der Scheibe versperrte ihr den Blick auf die Nacht. «Ich soll authentisch und ehrlich sein, hat Kossar mir empfohlen. Außerdem persönlich, aber ich will kein Geplänkel, sondern Sigarts Leben retten.» Sie warf das Handy auf den Schreibtisch. «Vielleicht gibt es die magischen Worte, den Code, der den Owner so weit aufrüttelt, dass er vor einem weiteren Mord zurückschreckt.»
Die Dampfdüse gab zischende, spuckende Geräusche von sich und verwandelte die Milch in wolkigen Schaum.
«Ich denke, der Owner wird die Absicht, die hinter deiner Nachricht steckt, ohnehin durchschauen. Dann kannst du sie genauso gut schwarz auf weiß hineinschreiben.» Er stellte die Tasse vor ihr ab. «Aber pfeif auf Kossar und lass dich auf nichts Persönliches ein, Bea. Mach ihm keine Lust darauf, dich näher kennenzulernen.»
Sie ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen und zog das Handy wieder heran. Das, was ich will, dachte sie, eins zu eins.
Ich möchte mit Ihnen sprechen und begreifen, warum Sie tun, was Sie tun.
Plus etwas Persönliches.
Don’t look so frightened, this is just a passing phase, one of my bad days.
Sie trank ihre Tasse in drei großen Schlucken leer und schickte die beiden Sätze ab, bevor sie Gelegenheit hatte, sie unzulänglich zu finden. Mit dem Zitat, selbst wenn er es kannte, würde er nichts anfangen können. Zur Abwechslung ein wenig Rätselraten für den Owner. Bad days. Gähnend begrub sie ihr Gesicht zwischen den Armen. «Ich fahre nach Hause, Florin. Und ja, ich melde mich, wenn ich da bin.»
Der Song begleitete sie noch, als sie in ihr Auto stieg, er brachte Bilder mit sich, die Beatrice lange nicht mehr so deutlich vor Augen
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