Fuer alle Faelle Emma
wollten. Wer weiß, vielleicht hätte sie uns die Fahrt nach Heckenstedt sogar verboten. Darum hatten wir Mama und Gesa einfach erzählt, dass wir den Nachmittag bei Papa in der WG verbringen würden. Nun dachte Papa, wir wären zu Hause in Tupfingen, und Mama und Gesa dachten, wir wären in der WG. Was sollte da schon schief gehen?
Es dauerte eine Weile, bis wir die richtige Adresse gefunden hatten. Das Haus von Klaus Reichert lag in einem ruhigen Wohngebiet am Rand des Dorfes. Die Straßen waren gepflastert, und überall standen bunte Schilder in den Gärten, auf denen »Bitte langsam fahren! Hier spielen Kinder!« stand.
»13, 15, 17 ...«, zählte Mona. »Nummer 19! Da drüben muss es sein!«
Wir blieben vor einem großen Einfamilienhaus stehen. Es sah ziemlich neu aus und war von einem weitläufigen Garten umgeben.
Ich pfiff durch die Zähne. »Keine schlechte Hütte!«
Mona nickte. »Ob er hier ganz allein wohnt?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Sollen wir klingeln?« Ich wollte zur Haustür gehen, aber Mona hielt mich zurück.
»Warte! Einen Moment noch.« Sie war sehr blass – abgesehen von den hektischen roten Flecken auf ihren Wangen.
»Du bist ganz schön nervös, was?«, fragte ich mitfühlend. »Sollen wir die Aktion lieber verschieben? Wir können ja auch ein andermal wiederkommen. Dieser Klaus Reichert wird uns schon nicht weglaufen.«
Mona schüttelte den Kopf. »Nein. Ich will es endlich hinter mich bringen. Kneifen kommt gar nicht infrage.«
Während wir noch etwas unschlüssig auf dem Bürgersteig herumstanden, fuhr ein Auto die Straße entlang und bog in die Auffahrt des Hauses Nummer 19 ein. Es hielt vor der Garage, und ein Mann stieg aus. Er schloss den Wagen ab, dann drehte er sich zu uns um. Mich traf fast der Schlag, als ich sein Gesicht sah. Das war der Mann von Monas Foto – ganz klar! Er sah zwar älter aus und hatte graue Haare, aber es war trotzdem kein Zweifel möglich. Zum Glück hatte sich auch sein Klamottengeschmack im Laufe der Jahre verändert. Klaus Reichert trug kein hässliches gepunktetes Hemd mehr, sondern einen dunkelgrauen Rollkragenpullover. Eigentlich sah er gar nicht so schlecht aus.
Mona krallte ihre Finger in meinen Arm. »Das ist er!«, hauchte sie. »Oder?«
Ich nickte. »Eindeutig. Na los, geh schon zu ihm rüber!«
»Das geht nicht«, flüsterte Mona. »Ich kann mich gerade nicht bewegen.«
Inzwischen hatte Klaus Reichert uns auch bemerkt. Kein Wunder – schließlich standen wir wie festgewachsen auf dem Bürgersteig und starrten ihn an, als wäre er das achte Weltwunder.
Er zögerte einen Moment, dann kam er langsam auf uns zu. »Kann ich euch irgendwie helfen?«, fragte er freundlich.
Mona gab einen quiekenden Ton von sich. Sie klang so ähnlich wie Paul, wenn ihm jemand auf den Schwanz getreten ist.
Herr Reichert sah sie besorgt an. »Geht es dir nicht gut?«, fragte er. »Möchtest du vielleicht einen Schluck Wasser?«
Mona nickte. Dann schüttelte sie den Kopf.
»Sind Sie Klaus Reichert?«, fragte ich, um ganz sicherzugehen.
Der Mann nickte. »Der bin ich. Und wer seid ihr?«
Mona öffnete den Mund. »Ich bin ...«
Da öffnete sich die Haustür von Nummer 19, und ein kleines Mädchen erschien.
»Papa!«, rief es, lief mit wehenden Zöpfen auf Klaus Reichert zu und warf sich in seine Arme.
Monas Vater fing es auf und schwenkte es im Kreis herum. Das Mädchen lachte vor Vergnügen.
»Hallo, Rosa, mein Schatz!« Herr Reichert setzte das Mädchen wieder ab und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Wange. »Wo ist denn die Mama?«
»Drinnen.« Das Mädchen zeigte aufs Haus. Dann sah es uns neugierig an. »Und wer seid ihr?«
Tja, das war eine gute Frage. Ich warf einen schnellen Blick zu Mona hinüber. Sie starrte das Mädchen an, als wäre es ein Geist.
»Wolltest du nicht gerade etwas sagen?«, fragte Klaus Reichert.
Mona schüttelte heftig den Kopf. Offenbar wollte sie lieber erst mal inkognito bleiben. Sie sah mich Hilfe suchend an. Okay, jetzt musste eine überzeugende Geschichte her – und zwar schnell!
»Ich heiße Emma Laurenz«, sagte ich. »Und das ist meine Freundin Mona. Wir ... wir gehen auf die Friedensschule in Dederstadt und wollten Sie um ein Interview bitten. Es geht um ein Schulprojekt über ehemalige Schüler und darüber, was aus ihnen geworden ist.« Ich fand, das klang gar nicht so schlecht.
»Ach, dann seid ihr die Mädchen, die vor ein paar Tagen bei meiner Mutter waren«, sagte Klaus
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