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Fuer den Rest des Lebens

Fuer den Rest des Lebens

Titel: Fuer den Rest des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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hervorbrachte, vor allem die männlichen, die mit einer solchen Selbstverständlichkeit natürliche Gefühle leugneten. Was für eine bizarre Erfindung, diese Männlichkeit, ihm scheint es, als habe er jahrelang im Untergrund gelebt, und nicht nur er, und nicht nur in seinem Kibbuz, nicht nur in seinem Land, sondern alle Männer, wie Kriegsverbrecher, die Angst vor der Entdeckung haben, wie Kronzeugen. Sie alle verbrachten, ohne es zu wollen, ihre besten Jahre auf diese Art, und zwar nicht, um dieses oder jenes Ziel zu erreichen, sondern um zu überleben.
    In den letzten Jahren scheint sich diese Anspannung etwas gelockert zu haben, nun, da er die Hälfte seines Lebens schon hinter sich hat und der Gehorsam nachzulassen beginnt, wie bei der militärischen Grundausbildung kurz vor dem Ende, wenn die Männer anfangen, weiblicher zu werden und die Frauen männlicher, doch nun erwacht sie wieder, seine alte Anspannung, vor ihr, vor dieser menschlichen Ruine, die ihn auf die Welt gebracht hat, vor dieser letzten Zeugin seiner Schwäche, seiner Minderwertigkeit, seiner Einsamkeit, seines Herzklopfens, der Hölle der versteckten Gefühle, seiner großen Scham.
     
    Ein geblümtes Laken bedeckt ihren kleinen Körper, dabei war sie eine große Frau gewesen, vierschrötig in ihren geschmacklosen Blumenkleidern, die sie nach ihrem Ausscheiden aus dem Kibbuz trotzig getragen hatte, viel Stoff hatte ihren Körper eingehüllt, und jetzt reicht ein kleines, schäbiges Laken. Wie eine zerknitterte Robe faltet sich die leer gewordene Haut um ihre Knochen, dünn und fleckig. Er betrachtet verstohlen seine Hände, prüft die Haut. Wie wenig Pracht ist geblieben, wie grausam ist diese Veränderung, denkt er, nur bei uns ist es so, denn bei Tieren führt das Alter nicht zu einem solchen Wandel. Sie verlieren langsam den Glanz und ihr Fell wird stumpf, trotzdem bleiben sie sie selbst, während ein solches Altern, mit dünnen Haaren, einem spitzen, haarigen Kinn und Lippen, die sich in die leere Mundhöhle ziehen, denn ihr Gebiss lächelt ihm von ihrem Nachttisch entgegen, einen bis zur Unkenntlichkeit veränderten Anblick bietet, so anders als die langgliedrige Frau, die ihm im Kibbuz nachgelaufen war und seinen Namen gerufen hatte, als könne nur er sie vor einer bevorstehenden Katastrophe retten, Avni!, Avni!, wo bist du?
    Wohin ist dieses ganze Fleisch verschwunden, fragt er sich angesichts der leeren Haut an ihren Armen, würde sie die Hände nach ihm ausstrecken, würde die Haut an ihr herunterhängen wie Fledermausflügel. Die Menschen werden weniger, wie man sieht, sie schrumpfen zusammen, der Raum, den sie auf der Welt einnehmen, schwindet, so wie der Raum, den die Welt in ihrem Inneren einnimmt, kleiner wird. Unbewusst streicht er über seinen Bauch, der in der letzten Zeit dicker geworden ist, dann nimmt er seine Hand weg, als hätte er sich verbrannt, denn auf einmal, so scheint ihm, als verberge sich da ihr Fleisch, als wäre die ganze Schwere, die einmal ihr gehört hatte, in den vergangenen Jahren in seinen Körper gewandert, als eine Art Rachezauber, mit dem seine Mutter es geschafft hatte, sich endlich an ihn zu schmiegen, so wie sie ihn in ihrer Gebärmutter getragen hatte, so hatte sie ihn in ihren letzten Jahren gezwungen, das Fleisch zu tragen, das sie abgeworfen hatte, damit nichts auf der Welt fehle, denn ihr gemeinsames Gewicht hätte sich nicht verändert.
    Was für ein beängstigender Gedanke, er kichert angesichts des unwillkürlichen Krampfs, der über ihr Gesicht läuft, ähnlich dem Zucken eines Neugeborenen, das fälschlich für ein Lächeln gehalten wird, was für ein Blödsinn, das sind die fetten Mahlzeiten, mit denen sie ihn dort füttern, in ihren Zelten, Kupferschalen voll mit gelbem Reis, und die heißen Fladen mit Humus und Ziegenkäse, manchmal auch mit Hammelfleischstücken, sie wollen ihre Dankbarkeit durch die Gerichte ausdrücken, die sie ihm servieren, und er verschlingt ihre Dankbarkeit, schluckt gierig, ohne zu kauen, ganze Schafe der Dankbarkeit blöken in seinem Bauch, ganze Herden versuchen, mit ihrem Blöken das Echo des alten Spotts zu überstimmen.
    Was für ein Chaos, er wirft einen Blick auf seine Uhr und seufzt, er ist schon seit einer Stunde hier und noch immer ist kein Arzt aufgetaucht, schon eine Stunde, und seine Schwester ist noch nicht gekommen, nicht dass er sich nach ihrem Anblick sehnen würde, nach ihrem arroganten Gesicht, das in letzter Zeit mager geworden ist, nach ihrem

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