Fuer den Rest des Lebens
dem weichen Sofa zurücklehnt, das nicht für ihn bestimmt war, hat er das Gefühl, dass er auch seiner Frau nichts mehr zu sagen hat, außer ihr eine gute Woche und einen friedlichen Schabbat zu wünschen, ein glückliches neues Jahr und schöne Feiertage, auch seinen Kindern, seiner Mutter, seiner Schwester, seinen Bekannten, er könnte höchstens noch hinzufügen, es möge sie kein weiterer Schmerz treffen, das ist eigentlich alles, und er streckt sich niedergeschlagen auf dem Sofa aus, er will nicht weggehen und er will nicht bleiben, er möchte von hier weggebracht werden, er will von einer geheimnisvollen Macht ergriffen werden, deren Willen stärker ist als seiner, so wie Rafael Alon von hier weggebracht wurde, denn plötzlich ist ihm klar, dass sie an jenem Morgen in ihrem goldfarbenen Auto hierhergefahren sind, sie hat ihn vom Krankenhaus hierhergebracht, nachdem man ihr gesagt hatte, er habe nur noch wenige Stunden zu leben.
Es gibt Menschen, die sterben lieber zu Hause, hatte die Schwester in der Notaufnahme gesagt, als teile sie ein Geheimnis mit ihm, aber dieser Kranke zog es vor, an diesem Ort zu sterben, an dem er für den Rest seines Lebens leben wollte, und er legt den Kopf auf ein Kissen, der Wein, an den er nicht gewöhnt ist, vernebelt ihm den Kopf, er hat das Gefühl, schon aufgegeben zu haben, der Zug seines Todes, in dem er schon sitzt, donnert dahin, von dem Ort seiner Geburt zum Ort seines Sterbens, vom sterbenden See bis zum Meer des Todes, durch die Ruinen von Beit Sche’an und durch das in der Wüste begrabene Jericho in die Stadt, in der die Angehörigen seines Volkes schon immer begraben werden wollten. Wie gut er diesen langen Weg kennt, es gab Jahre, in denen er jeden Dorn und jede Blume kannte, jede einzelne Station, aber diesmal hält sein Zug nicht an den Haltestellen, denn er ist nur für ihn bestimmt. Manchmal winken Vorübergehende ihm zu, diesem einzigen Fahrgast, der vom Baby zum Jungen wird, zum jungen Mann, zum Mann, der von einer Kreuzung zur nächsten älter wird, er weiß nicht, ob er fährt oder ob die anderen sich entfernen, Zeit und Raum müssen sich vereinen, um Bewegung zu schaffen, wie ein Mann und eine Frau, aber bei ihm ist der Raum von der Zeit getrennt, während er durch das Tal vor den Bergen fährt, die sich im Osten auflösen, zwischen den Taufstellen im verschwindenden Jordan und den Versprechungen, die hier gegeben und nie gehalten wurden, und in der Ferne blitzen schon die goldenen und silbernen Türme Jerusalems, und er fährt an den Zelten vorbei, die er nur allzu gut kennt, bleib bei uns, werden die Geister seiner Klienten samt Frauen und Kindern bitten, sie sind ohnehin daran gewöhnt, dass ihre Bitten nicht erfüllt werden, bleib bei uns, werden seine Kinder bitten, und er richtet sich plötzlich auf, seine Hände fuchteln und er schaut sich erschrocken um, sein Blick trifft ihre Augen, die so rot sind wie die eines Kaninchens, sie hat ein Weinglas in der Hand und trinkt schweigend.
Entschuldigung, ich glaube, ich bin eingeschlafen, murmelt er, ich bin nicht daran gewöhnt, zu trinken. Wie seltsam, in seinem eigenen Bett liegt er oft nächtelang wach, und hier, auf dem fremden Sofa, ist er gegen seinen Willen eingeschlafen. Vielleicht sollte er sie bitten, ihm das Sofa zu vermieten, dann kann er immer wieder zum Schlafen herkommen, sie sind ja fast Nachbarn, auch wenn sie das nicht weiß, natürlich weiß sie es nicht und hat auch kein Interesse daran, es zu wissen, und plötzlich fragt er sich fast verbittert, ob es für sie wirklich so selbstverständlich ist, dass ein Fremder sich für ihre schwermütige Geschichte interessiert, dass sie sich noch nicht einmal die Mühe macht, sich auch seine Geschichte anzuhören, und er gießt sich ein Glas Wein ein, entschuldigen Sie die Unhöflichkeit, sagt er, ich schlafe auf Ihrem Sofa ein und habe mich noch nicht einmal vorgestellt, ich heiße Avner Horowitz.
Ich weiß, sagt sie, hebt das Glas, als trinke sie auf seine Gesundheit, und er fragt erstaunt, ja? Woher wissen Sie das? Und sie sagt, ich habe Sie im Fernsehen und in der Zeitung gesehen, es hat ein bisschen gedauert, bis ich mich erinnert habe, Sie sind der Rechtsanwalt der Beduinen, und aus irgendeinem Grund kichert sie und er nickt verblüfft und geschmeichelt, da ist sie wieder, die Kluft zwischen dem Image und dem Selbstbild, die ihn dazu bringt, sich zum Narren zu machen, vielleicht haben ihn auch die Nachbarin und die Witwe erkannt, während
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