Fuer den Rest des Lebens
erhoffen, denn sie werden nicht dankbar sein, sie werden ihren Verzicht nicht schätzen.
Ja, in Liebe und Ergebenheit muss sie diesen Weg gehen, sich in die Reihe der gehorsamen Ameisen einfügen. Sie hat ihre Portion Glück bereits bekommen, mehr wird es nicht geben, sie hat den Zeitpunkt verpasst, es gibt keinen Menschen, der nie einen Fehler macht, und jetzt muss sie den Preis für diesen Fehler bezahlen, und in Gedanken wandert sie zurück, wann hat sie den Fehler gemacht? Sie hat ihn immer wieder begangen, diesen Fehler, sie sieht eine ganze Reihe von schwarzen Perlen, verpasste Chancen, all die Nächte, in denen sie hätte schwanger werden können, in denen sie sich darauf konzentrierte, ihr Glück zu bewahren, und nicht kapierte, dass sie es verlor, und wie schwer ist es jetzt, den Fehler zu korrigieren, so viele neue Fehler wird sie dafür begehen müssen. Ihr scheint es, als habe sich eine Tür vor ihr geöffnet, hinter der aber niemand steht, vielleicht ist es nur eine Erinnerung an ein Haus, in dem man sich verirrt, eine täuschende Sehnsucht, oder ist es nur die Sehnsucht des Katers, der aus Nizans Zimmer kommt und auf ihr Bett springt? Sie nimmt ihn in den Arm und drückt die Wange an sein Fell. Hase, fleht sie ihn an, der Kater kann die Vergangenheit nicht ändern, er ist noch viel hilfloser als sie, und trotzdem fleht sie ihn an, als wäre er ein archaischer Gott, als stünde es in seiner Macht, ihr ein Zeichen zu geben, Hase, Hase, was werden wir tun.
Das war mein Bruder, hat Nizan früher gesagt, mein allerliebster Bruder, und hat an dem Tag, den sie zu seinem Geburtstag bestimmt hatte, kleine Geschenke für ihn hingelegt, oder sie hatte Katzenfeiertage ausgerufen und Klebstreifenrollen gesucht, alte Bindfäden und Spielzeugmäuse, und Gideon hat gelacht und gesagt, schau nur, was für eine Arbeit man sich hier für Katzen macht, und hat die Kamera gezückt, um die Zeremonie zu verewigen. Ich und Hase wollen keinen Bruder mehr, hatte Nizan oft verkündet, und Dina denkt, offenbar war es leicht, mich zufriedenzustellen, zumindest in den ersten Jahren, erst später wurde sie langsam unruhig, als sie um die vierzig war und die vielen Gespräche anfingen, hier in diesem Bett, oder in breiteren Betten an den Wochenenden, im Norden oder im Süden, im Licht von Duftkerzen. Komm, Gideoni, machen wir noch ein Kind, das ist unsere letzte Chance, sonst werden wir es unser Leben lang bedauern, aber er wollte nicht und sie war nicht hartnäckig genug, sie gab nach und versuchte es dann erneut, zu einem passenderen Zeitpunkt. Wie gut er immer gewusst hat, wo er sie treffen konnte, Nizan braucht dich, ihr habt doch eine ganz besondere Beziehung, kannst du dir vorstellen, was du ihr antust, wenn du dich die ganze Zeit um ein Baby kümmerst? Das ist nicht gut, Dina, glaub mir, du hast doch selbst nie die Geburt deines Bruders verwunden.
Das ist nicht dasselbe, widersprach sie dann, das ist etwas ganz anderes, doch sie zog sich wieder zurück, dann warten wir eben noch ein paar Monate, ist doch nicht schlimm, heutzutage können noch viel ältere Frauen Kinder bekommen, hatte sie sich gesagt, und aus den Monaten wurden Jahre, und in der Zeit des Redens und der Überredungsversuche und des Wartens auf seine Zustimmung hätte eine andere, härtere Frau als sie bereits drei Kinder auf die Welt gebracht, bis vor etwa zwei Jahren ihre Zweifel sich in eine panische Eile verwandelten und Gideon sich etwas weicher verhielt, was sie in ihrer Ansicht bestärkte, dass alles von Anfang an eigentlich ihre Sache gewesen war, und mit einem väterlichen Lächeln begann er, sich nach den berechneten Tagen ihres Körpers zu richten, als wäre er bereit, die Launen eines jungen Mädchens zu erfüllen, doch die Monate vergingen und sie wurde nicht schwanger, und als sie anfing, bei Ärzten vorzusprechen, stellte sich heraus, dass es zu spät war, denn ihre wunderbare Fruchtbarkeit, die sie so viele Jahre lang in sich getragen hatte, war zusammengeschrumpft und funktionierte nicht mehr, früher als erwartet, und die Sache ließ sich nicht rückgängig machen, und nun, da sie auf dem Rücken liegt und die Decke mit den alten Feuchtigkeitsflecken betrachtet, den sich putzenden Kater neben sich, sieht sie den Rest ihres Lebens klar und deutlich vor sich. Sie wird um ein bisschen Wärme und Nähe betteln, sie wird Reisig an den Straßenecken sammeln, nie wieder wird sie eine lodernde Flamme erleben, sondern nur zufällige Funken, die für
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