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Fuer den Rest des Lebens

Fuer den Rest des Lebens

Titel: Fuer den Rest des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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vortritt und der Frau, die gerade ihren Mann verloren hat, die Hand hinhält und ein paar Beileidsworte sagt, sie hat nichts, aber auch gar nichts mit der Frau gemein, die er vor genau einer Woche an der Seite des Verstorbenen gesehen hat, in seinen letzten Stunden, und er weiß, dass sein Gesicht rot geworden ist, als würde er sie belügen, rasch murmelt er etwas von einem Treffen bei einer Konferenz im Ausland, lässt den Arm sinken, als falle ihm vor Trauer das Sprechen schwer, und verschwindet im Flur. Zu seiner Erleichterung summt das Tor wieder, weitere Kondolenzbesucher strömen ins Haus, und die Witwe lauscht nun den tröstenden Worten, die von anderen Menschen gesprochen werden, Menschen, die ihren Mann wirklich gekannt haben, nicht wie er, obwohl er ihn, denkt er, als er sich durch die Menge den Weg nach draußen bahnt, vielleicht besser gekannt hat als alle anderen.
    Während er zu seinem Auto geht, hat er das Gefühl, der schwarze Schakal verfolge ihn mit fletschenden Zähnen, er beschleunigt seine Schritte, es fällt ihm schwer, sein Auto zwischen all den anderen zu finden, und als er es endlich entdeckt, tastet er nach den Schlüsseln, sie waren doch in seiner Hosentasche, oder hat er sie auf den Stein am Wadi gelegt, schnell läuft er hinauf, einen Moment lang wird der Wadi von Scheinwerfern erleuchtet, ein Auto fährt am Trauerhaus vorbei, hält aber nicht an, er schaut ihm verwirrt nach, hat er die beherrschte, edle Silhouette erkannt? Und wieder tastet er in seinen Taschen, in der einen entdecken seine Finger ein kleines Loch, konnte ihm der Schlüssel hinausgefallen sein, noch dazu unbemerkt? Nur sein nicht eingeschaltetes Handy ist in der Tasche und verleiht ihm eine gewisse Sicherheit, er ruft den Taxistand an, gibt die Adresse des Trauerhauses durch, geht aber die Straße hinunter, er will auf jeden Fall vermeiden, die Nachbarin und ihren Hund zu treffen, er hätte nicht sagen können, vor wem er sich mehr fürchtet, und eigentlich sind sie in seinen Augen zu einem Geschöpf verschmolzen, zu einem riesigen Schakal mit wilden roten Haaren, aus dessen Kehle die grobe Stimme einer Frau dringt.
    Einige weitere Autos kommen die schmale Hangstraße herauf, so schmal, dass ein entgegenkommendes Fahrzeug gezwungen wäre, zum Wadi auszuweichen, und bei jedem sich nähernden Wagen glaubt er, eine Frau mit edler Silhouette und schwarzen Haaren zu erkennen, er kneift die Augen zusammen, aber es nützt nichts, denn die nächsten Scheinwerfer, die auftauchen, gehören zum Taxi, das ihn von hier wegbringen wird, er setzt sich schweigend auf den Rücksitz, wütend und verschwitzt, und bemerkt den fragenden Blick nicht, den ihm der Fahrer zuwirft. Wohin geht’s, erkundigt er sich, und Avner nennt ihm schnell die Adresse, aber sofort korrigiert er sich, was wird es bringen, jetzt nach Hause zu fahren, die Reserveschlüssel zu holen und sofort hierher zurückzukehren, die Kinder werden enttäuscht sein und Schlomit wird über ihn herfallen, als hätte er die Jungen absichtlich kränken wollen, und sie natürlich auch, und ihm fällt ein, dass er auch Anati ein Schlüsselbund gegeben hat, zur Sicherheit, er ruft sie an, versucht, seiner Stimme einen gleichgültigen Klang zu geben.
    Bist du zu Hause, Anati? Sind die Autoschlüssel bei dir? Dann komme ich schnell vorbei, um sie zu holen, in Ordnung, ich habe meine verloren, sag mir die Adresse, schön, das ist wirklich auf dem Weg, aber in der Stille, die sich dann ausbreitet, hört er wieder die Worte, die er gesagt hat, laut wie die Worte, die aus der Funkanlage des Taxis kommen, er hat das Gefühl, von einem ausgedehnten, geheimen Netz belauscht zu werden, das den Code entziffert, und an das Netz angeschlossen ist auch der tote Rafael Alon und die lebende Geliebte, die heimlich um ihn trauert, und jetzt auch er, mit diesem fast zufälligen Anruf hat er sein Schicksal mit dem ihren verbunden, eine vollkommen willkürliche Verkettung, und doch höchst durchdacht, von seiner Mutter dirigiert, eigentlich wie immer und fast ohne es zu wissen, seine Mutter, die schon nicht mehr links und rechts unterscheiden kann, Vergangenheit und Gegenwart, mit dem Rest ihres schwindenden Bewusstseins.
    Warten Sie hier zwei Minuten auf mich, ich komme gleich zurück, sagt er zu dem Fahrer, der vor einem Wohnblock anhält, so lang wie ein Eisenbahnzug, er irrt sich in den Eingängen, wo fängt die Nummerierung an, das ist immer die Frage, vor allem wenn du in der Mitte stehst und

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