Fuer den Rest des Lebens
Kinder trösten, und vor allem die Geliebte, die niemanden hat, der sie tröstet, und sein Verlangen wird so heftig, dass er sich mit aller Macht am Türstock festhalten muss, um nicht vom Lavastrom zu ihr gerissen zu werden, denn zwischen ihm und ihr stehen feste Barrieren aus Luft, bewegungslos wie Leichen, wie im Boden verankert, und wenn er sich ihr näherte, wäre er gezwungen, auch sie zurückzustoßen, Schlomit und die Jungen, und sogar sie, die heimliche Geliebte.
So oft ist es ihm fast passiert, und immer hat er sich im letzten Moment am Türrahmen festgehalten oder am Türgriff oder an seiner Tasche, jeder Gegenstand symbolisierte in solchen Augenblicken sein stabiles Leben, das vor ihm einzustürzen drohte, als würde die kleinste Bewegung genügen, alles zu zerstören, und er nimmt ihr die Autoschlüssel aus der Hand, kann ich ein Glas Wasser haben, fragt er mit heiserer Stimme, es ist schrecklich heiß draußen, und sie eilt in die Küche, hat er so etwas wie Enttäuschung auf ihrem Gesicht gesehen, was will sie, was will sie von mir. Das Glas ist nicht sauber und er überwindet sich und trinkt, zu Hause hätte er es natürlich mehrfach gespült, warum trifft ausgerechnet er, der so sehr auf Sauberkeit achtet, immer Frauen, die es mit der Ordnung nicht so genau nehmen, er hält ihr das leere Glas hin, danke, sagt er, ich gehe jetzt los, doch zu seiner Überraschung drängt sie ihn zu bleiben, möchtest du ein Bier?, schlägt sie vor und sieht auf einmal wie ein kleines Mädchen aus, das Angst hat, allein im Haus zu bleiben.
Bier?, fragt er, als handle es sich um ein außergewöhnliches Angebot, in Ordnung, wenn du mittrinkst, er schaut hinüber zum Kühlschrank, den sie öffnet, er sieht erstaunlich aufgeräumt aus, er setzt sich an den Küchentisch und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Die Sonne ist längst untergegangen, aber ihre Hitze steckt noch in dieser Wohnung im obersten Stock, ihre Strahlen bohren sich durch den dünnen Beton und verbrennen seinen Schädel, sie stellt eine Flasche Bier vor ihn und setzt sich ebenfalls, und wieder bemerkt er die Röte in ihren Augen, als hätte sie geweint, bevor er kam, und er fragt, geht es dir gut? Ist etwas passiert?
Eigentlich weiß er nicht viel über sie, sie ist erst vor zwei Monaten in sein Büro gekommen, nachdem sie ihre Abschlussprüfung mit Auszeichnung bestanden hatte, sie wollte sich unbedingt auf Menschenrechte spezialisieren und entschied sich für ihn, obwohl sie Angebote von weit größeren Kanzleien bekommen hatte. Mit den Klienten geht sie voller Mitgefühl und trotzdem sachlich um, und in ihrer Freizeit beteiligt sie sich an Demonstrationen, jedes Unrecht und jede Niedertracht beflügeln sie, und jetzt, da sie verlegen lächelt, bemerkt er zum ersten Mal, dass ihre Vorderzähne besonders klein sind und ihrem Lächeln den Ausdruck von tiefer Entbehrung verleihen.
Ich bin heute einfach ein bisschen durcheinander, sagt sie, ihre Stimme klingt kindlich, ich wollte dir etwas geben, und als sie aufsteht und das Zimmer verlässt, denkt er, sie wird sich gleich wieder über die Kleiderhaufen in ihrem Zimmer bücken, deren Unbekümmertheit ihn plötzlich fasziniert, doch da ist sie schon und hält ihm einen Umschlag hin, das ist heute aus der Druckerei gekommen, sagt sie, du bist der Erste, und er macht den Umschlag auf und nimmt ein braunes, hartes Papier heraus, bedeckt mit einfachen Buchstaben, wenigen Buchstaben, ein paar Namen, Datum und Ort, und er ist so überrascht, dass sein Verstand nicht erfasst, was da steht, und vor allem fällt es ihm schwer zu verstehen, was das mit ihr zu tun hat.
Was ist das, wer heiratet, du heiratest?, fragt er fast erschüttert, und sie nickt freudlos, das ist heute aus der Druckerei gekommen, wiederholt sie, als sei es eine Erklärung für ihre Niedergeschlagenheit, und er fasst sich, herzlichen Glückwunsch, Anati, wie schön! Er fragt sich, ob er ihr die Hand geben oder sie umarmen soll, denn er sitzt und sie steht ihm gegenüber, beide Gesten kommen ihm etwas seltsam vor, deshalb betrachtet er wieder die Einladung, bemerkt den einzelnen Namen unter ihrem, als Eltern der Braut steht da nur der Vater, während der Bräutigam zwei Elternteile hat, wie es sich gehört, und schon vertieft er sich in dieses Detail, das dem ganzen Ereignis ein schmerzliches Ungleichgewicht verleiht. Was ist mit deiner Mutter?, fragt er und erinnert sich daran, wie eindringlich sie sich nach dem Zustand seiner Mutter
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