Fuer dich mein Glueck
waren. Die Industrie hinkte der Zeit offensichtlich hinterher. Babys mit leicht farbiger Haut sah man damals schon häufig, die dazugehörigen Puppen gab es jedoch nicht.
Sonnet überquerte die Straße, als die Ampel auf Grün sprang. Sie krallte ihre Finger so fest um den Schlüssel, dass sie den Bart in ihre Handfläche drückte. Sonnet wusste nicht, ob sie auch mal Kinder haben wollte. So, wie ihre Karriere bei der UNESCO voranschritt, hatte sie kaum Zeit, einen Abstecher nach Avalon zu machen, um ihre Mutter zu besuchen, geschweige denn, ein Kind aufzuziehen.
Andererseits spielten auch ihre Hormone verrückt, die durch eine unsichtbare Leere in ihrem Inneren ausgeschüttet wurden und darauf drängten, dass sie sich vermehrte.
Sie fragte sich, wie Orlando über dieses Thema dachte. Vermutlich würde er schreiend nach draußen laufen. Ganz gleich, ob Sonnet einen Schlüssel zu seiner Wohnung hatte oder nicht, sie beide kannten sich noch nicht langegenug, um darüber zu sprechen. Er hatte Sonnet vor einiger Zeit beiläufig erzählt, dass er nicht so schnell Vater werden wollte. Schließlich hätten sie noch alle Zeit der Welt.
Es gab nichts, was Sonnets wunderbare Laune heute dämpfen konnte. Sie hatte so viele gute Neuigkeiten zu verkünden, und sie würde sie mit zwei wunderbaren Menschen teilen, die ihr nahestanden und die verstehen würden, wie viel ihr dieser Erfolg bedeutete.
Den ganzen Tag war Sonnet schon wie verrückt hin- und hergelaufen. Sie hatte sich gefreut und versucht, sich auf dieses neue Kapitel in ihrem Leben vorzubereiten. Sie hatte ein Hartstone-Stipendium ergattert. Ausgerechnet ihr, Sonnet Romano aus dem winzigen Städtchen Avalon am Willow Lake, war diese Ehre zuteilgeworden. Menschen, die das Hartstone-Stipendium gewannen, veränderten die Welt. Sie war schon immer darauf erpicht gewesen, die Erwartungen ihres Vaters zu erfüllen. Er legte großen Wert auf Strebsamkeit und auf persönliche Erfolge. Sonnet verstand ihn gut, denn Erfolge zeigten der Welt, dass man Dinge tat, die von Bedeutung waren.
Sonnet hatte es wie üblich eilig. Sie hatte es immer eilig. Sie war wie ein Wirbelwind durch die Schulzeit gehetzt, hatte alle Abschlussklassen mit einem perfekten Notendurchschnitt abgeschlossen und anschließend auf der American University einen Platz auf ihrem Traumcollege bekommen. Mit einem ansehnlichen Abschluss in Französisch und in internationalen Beziehungen war sie weiter auf die Uni gegangen. Manchmal fragte sie sich selbst, was genau sie antrieb und ob ihr diese Eile wirklich guttat, aber dennoch nahm sie nie genügend Fahrt raus, um eine Antwort auf diese Frage zu finden.
Und es lief ja alles gut. Der Brief in ihrer Tasche und der Schlüssel waren der Beweis dafür.
Sonnet lief Gefahr, sich zu verspäten. Ihr Vater sah darin einen unverzeihlichen Fauxpas, deshalb sprang sie die Stufen zur U-Bahn-Station hinunter. Das Summen des Handys kündigte ihr die Ankunft einer neuen SMS an. Diese war gerade noch durchs Netz gerutscht, bevor sie den Empfang in den Tiefen des U-Bahn-Schachtes verlor. Sonnet hörte, wie der Zug auf dem Bahnsteig einfuhr. Schnell zog sie ihre Fahrkarte durch das Drehkreuz und stürzte sich in die furchtbar stickige Wärme des Bahnsteigs.
Die mondgelben Lichter der Bahn waren von einem Film aus dem unvermeidlichen Schmutz der U-Bahn-Tunnel überzogen. Die Türen gingen zischend auf und spuckten Ströme von Fahrgästen auf den Bahnsteig. Genauso flink stiegen die neuen Passagiere ein. Sonnet stoppte kurz, um einer Frau zu helfen, ihren Kinderwagen über die Lücke zwischen Bahnsteig und Wagen zu heben.
Gleichzeitig dachte sie an die SMS, die sie gerade erhalten hatte. Sonnet wusste nicht, was sie dazu trieb, genau in diesem Augenblick nach ihrem Handy zu greifen. Sie bekam ständig neue SMS. Vermutlich war es reine Gewohnheit. Oder es lag an Daisys kryptischen Andeutungen.
Gerade als Sonnet in den Wagen springen und ihr Handy herausholen wollte, stieß sie jemand von hinten an. Dabei rutschten ihr sowohl das Handy als auch der Schlüssel aus der Hand. Sonnet sah Messing aufblitzen, als der Schlüssel auf die Gleise fiel. Ihr Herz fiel mit ihm. Das Handydisplay leuchtete noch einen Moment, bevor auch dies in der Dunkelheit verschwand. Sonnet erhaschte einen Blick auf den Absender. Es war Zach Alger.
Nachfolgende Fahrgäste drückten Sonnet vom Bahnsteig ins Innere des Waggons. Die Türen schlossen sich, und der Zug fuhr los.
Sonnet hielt sich an einer
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