Fuer dich mein Glueck
vergöttert. Jetzt war sie immer noch sein Lieblingsplatz, an dem er sich bei einem Becher Kaffee und einem Krapfen auf den Arbeitstag vorbereitete. Im Café sah es noch aus wie vor zwanzig Jahren, obwohl Jenny McKnight, die Besitzerin, es stilvoll modernisiert hatte. Trotz der Tische aus Ahornholz, des schwarz-weiß-karierten Fußbodens und der wechselnden Ausstellungen von ortsansässigen Künstlern wirkte alles ein wenig altmodisch. Die warme, duftende Atmosphäre rief nostalgische Erinnerungen wach. Zach nutzte die Bäckerei manchmal als Kulisse für seine Hochzeitsvideos oder für persönliche Geschichten. Im Moment waren die üblichen Morgengäste da. Es waren Einheimische, die sich etwas fürs Büro mitnahmen, Rentner, die sich über die Neuigkeiten aus der New York Times austauschten, und ein paar Touristen, die sich über eine Wanderkarte der Umgebung beugten.
Mit dieser heimeligen, familiengeführten Bäckerei verband er früheste Erinnerungen. Seine Mom hatte ihn an seinem ersten Vorschultag zu Fuß zur Schule gebracht, und er war vor Panik förmlich erstarrt. Also hatte sie ihn kurzerhand bei der Hand genommen und war mit ihm in die Bäckerei geschlüpft, die nur eine Straße von der Grundschule entfernt lag. Er erinnerte sich immer noch an den zuckrigen, butterigen Geruch, der in der Luft gelegen und ihn getröstet hatte wie eine warme Umarmung.
Seine Mutter hatte ihm eine Apfelkolache und einen heißen Kakao gekauft und ihm erzählt, was für ein großes Abenteuer die Schule wäre und wie sehr er sie lieben würde. Dabei hatte sie Zach gefilmt. Es war die große Leidenschaft seiner Mutter gewesen, ihr Leben zu dokumentieren. Beinahe zwanghaft hielt sie alle wichtigen und nicht ganz so wichtigen Augenblicke mit ihrer Videokamera fest, seinen ersten Schultag, seinen ersten verlorenen Zahn, seine Heldentaten auf dem Fußballplatz oder seine katastrophalen Versuche, Jimmy Page von Led Zeppelin nachzuahmen. Sie selber war nur selten im Bild zu sehen, aber oft erklang ihre Stimme aus dem Off, um ihn zu ermutigen und anzufeuern. Es war, als hätte sie die ganze Zeit gewusst, dass sie nicht allzu lange bei ihm bleiben würde. Deshalb hielt sie jeden Moment ihrer gemeinsamen Zeit für ihn fest. Eines Tages aber hatte sie einfach aufgehört zu filmen und war weggezogen. Sehr weit weg.
Zach hatte es an diesem ersten Schultag noch nicht kommen sehen, aber er hatte ihre Geschichten über die Schule nicht eine Sekunde geglaubt. Er hatte stattdessen furchterregende Bilder von knurrenden Lehrern, endlosen Flur-Labyrinthen und Räumen voller Fremder vor Augen. Doch während er auf seiner Kolache herumkaute, war Sonnet Romano ganz allein in die Bäckerei marschiert. Sie trug einen pinkfarbenen Rucksack mit vielen Taschen und Reißverschlüssen und ihre Stifte waren wie Munition in einem Patronengürtel aufgereiht. Die schwarzen krausen Haare hatte sie zu zwei Zöpfen zusammengenommen, und auf ihrer Nase saß eine Hornbrille.
Sonnet ging ganz allein zum Tresen, um ihre Bestellung aufzugeben. Ihr spitzes kleines Kinn reichte damals kaum bis an die Oberkante. „Einen Ahornriegel mit Zuckerguss, bitte. Und können sie ihn in einen hübschen Karton legen? Er ist für meine Lehrerin. Heute ist mein erster Tag in der Vorschule, und ich will ihr etwas Schönes mitbringen.“ Sorgfältig hatte sie ihr Geld auf den Tresen gelegt. „Meine Mom hat gesagt, das stimmt so. Sie muss heute arbeiten.“
Zach hatte sie bewundernd angestarrt, seine Mutter aber nickte wohlwollend. „Ist das nicht Sonnet Romano aus der Spielgruppe? Warum gehst du nicht zu ihr und sagst Hallo?“
Zach war entsetzt zurückgeschreckt und hätte sich beinahe an seinem Teilchen verschluckt.
Während Sonnet auf ihre Bestellung wartete, drehte sie sich um und sah Zach prüfend an. „Du bist Zach“, sagte sie. „Du bist auch in Miss Nelsons Klasse, so wie ich.“
Er wusste nicht, was er sagen sollte, also platzte er mit dem Erstbesten heraus, was ihm in den Sinn kam. „Warum trägst du eine Brille?“
„Damit sehe ich klüger aus.“ Sonnet reckte stolz das Kinn. Dann drehte sie sich abrupt um, sodass ihre Zöpfe durch die Luft flogen. Sie nahm die rosafarbene Schachtel, die mit einer Schleife versehen war, und ging zur Tür.
Dort blieb sie kurz stehen und drehte sich noch einmal zu Zach um. „Was ist? Kommst du nicht mit?“
Seine Mom hatte ihn kurz umarmt. „Geh schon, mein Großer. Es wird ein ganz toller Tag.“
Bei der Erinnerung
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