Fuer dich mein Glueck
deiner Mutter zu wahren. Delvecchio ist keiner, der eine schwangere Frau mit Krebs belästigt.“
„Du scheinst zufrieden darüber zu sein“, sagte sie.
Orlando hob abwehrend eine Hand. „Komm schon, Sonnet. Wofür hältst du mich?“ Er wirkte ernsthaft verletzt.
„Tut mir leid. Die Geschichte mit meiner Mom geht mir einfach zu sehr an die Nieren.“
Orlando fuhr seinen Laptop hoch. „W-LAN-Code?“
Sie nannte ihm den Code, und während er sich in der digitalen Welt verlor, nutzte sie die Gelegenheit, in einem der vielen Bücher über Krebs zu lesen, die sie sich aus dem örtlichen Buchladen und der Bücherei besorgt hatte. Seitdem sie von der Diagnose ihrer Mutter wusste, verschlang Sonnet alle Informationen über den Krebs und wie man den Betroffenen am besten beistehen konnte. Sie las alles über gesunde Ernährung, über hilfreiche Gymnastikübungen und Atemtechniken sowie die Nebenwirkungen der Chemotherapie wie Übelkeit, wunde Stellen im Mund, Schmerzen und Krämpfe sowie den unvermeidlichen Haarausfall. Das Wissen wird mir helfen, Mom besser beizustehen, sagte sie sich, während sie gleichzeitig versuchte, nicht vor dem, was sie erfuhr, zurückzuschrecken.
Sie stupste Orlando an. „Hier steht, dass Haschisch gegen die Übelkeit helfen kann und außerdem den Appetit fördert. Weißt du, wo wir welches herbekommen können?“
„Sei nicht lächerlich.“
„Bin ich nicht.“
„Darüber soll deine Mutter besser mit ihren Ärzten sprechen“, sagte er, „oder vielleicht mit dem Teenie, der die Pizza ausfährt.“
„Sehr lustig.“ Sie wandte sich wieder dem Buch zu und fragte sich, ob ihr das Lesen wirklich half oder ob es ihr nur noch mehr Angst einflößte. Sonnet bemerkte kaum, dass Orlando irgendwann seinen Laptop beiseitestellte und einschlief. Sie las hoch konzentriert bis tief in die Nacht, so wie sie sich früher auf die Prüfungen in der Schule und am College vorbereitet hatte. Egal ob in der Schule oder im Beruf, Sonnet war immer eine Vorzeigetochter gewesen. Manchmal war sie sich allerdings nicht sicher, ob sie auch gut im Leben war.
Sonnet schlug die Augen auf. Das Bett neben ihr war leer. Auf dem Kissen neben ihrem lag ein Zettel. „Ich habe den frühen Zug zurück in die Stadt genommen. Wollte dich nicht wecken. Viel Erfolg heute für deine Mom“, hatte Orlando in seiner engen, ordentlichen Schrift geschrieben.
Sie seufzte und drehte sich mit dem Kissen im Arm zum Fenster. Die Sonne war gerade tiefrot aufgegangen und verwandelte die Oberfläche des Sees in ein Flammenmeer. Sie wünschte sich, Orlando hätte sie geweckt, sie in seine Arme genommen und ihr etwas Tröstendes ins Ohr geflüstert. Doch so rührselig war er einfach nicht. Orlando konzentrierte sich darauf, Probleme zu lösen und Dinge zu erledigen. Und er wusste genauso gut wie sie, dass ein Haufen Plattitüden ihre Mutter auch nicht wieder gesund machen würden. Nina brauchte gute Ärzte, beste Therapien und liebevolle Pflege. Sein Angebot, ihr einen Termin bei seiner Tante in der Stadt zu verschaffen, war seine Art zu sagen, dass auch er sich sorgte und helfen wollte.
Sonnet seufzte noch einmal und reckte sich. Dann sah sie auf die Uhr. Heute würde ihre Mutter die erste Chemotherapie bekommen. Sonnet erschauderte bei dem Gedanken daran. Zitternd schlang sie die Arme um sich und ging zum Fenster. Ein kräftiger Wind wehte über den See und verwirbelte die dünnen Zweige der Bäume am Ufer. Sonnet genoss den Anblick. Sie versuchte sich ihre Mutter in diesem Bild vorzustellen, wie sie dank der reinen Schönheit der Natur immer stärker und gesünder würde. Sie erinnerte sich an ein lang vergessenes Gebet, das sie mit vielen guten Wünschen und noch mehr heilender Energie erfüllte. Das Gebet, so hoffte Sonnet, würde wie ein Samenkorn vom Wind getragen den Weg zu ihrer Mutter finden.
Mom wird wieder gesund, sagte sie sich. Nach dem, was sie in einem der Bücher gelesen hatte, wird bei einer von acht Frauen Brustkrebs festgestellt, und die anderen sieben Frauen kennen sie.
Ihr fielen zwei Menschen auf, die am See entlangspazierten. Waren es Gäste des Inn? Interessiert lehnte sie sich vor. Kein Zweifel, der Mann mit dem blonden Haar war unverkennbar Zach Alger. Doch warum ging er zu dieser Zeit mit ihrer Mom hier spazieren? Die beiden schienen tief in eine Unterhaltung verstrickt.
Sonnet zog sich eilig an und lief nach unten. Sie entdeckte Zach auf dem Parkplatz. „Hey.“ Sie fuhr sich mit der Hand durch ihr
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