Fuer dich mein Glueck
atmen? Babys sind darin sehr gut. Sie füllen ihre Lungen bis tief hinein in den Bauch. Aber als Erwachsene vergessen wir das oft. Wir atmen nur noch in den Brustkorb und nutzen die vollständige Kapazität unserer Lungen überhaupt nicht aus.“
„Gut zu wissen“, sagte Greg. „Wenn das Baby da ist, werden wir darauf achten.“
Wenn das Baby da ist . Sonnet war dankbar, dass Greg sich auf das wichtige Ziel konzentrierte. Dennoch konnte sie in diesem Moment nur daran denken, dass man ihre Mom heute mit Gift vollpumpen würde. Schnell lenkte sie sich damit ab, alles ins Auto zu tragen. Ein Extrakissen und eine Decke. Ein Lavendelsäckchen, denn der Duft sollte beruhigend wirken. Eine Kühlbox mit Getränken, Snacks und Gelpacks für ihre Finger, die von den Medikamenten höchstwahrscheinlich aufquellen würden. Sie hatte Musik auf den iPod gespielt, von der sie annahm, dass sie Nina gefiele.
Sie fuhren in getrennten Wagen ins Krankenhaus und trafen sich auf dem Parkplatz wieder. Sonnet ertappte ihre Mutter dabei, wie sie sehnsüchtig einer überglücklichen hochschwangeren Frau hinterhersah, die auf dem Weg in die Gynäkologie war. Sonnet und Nina und Greg nahmen einen anderen Weg, den zur Onkologie.
Bevor die Ärzte die Medikamente vorbereiteten, machten sie ein paar Bluttests. Der Raum, in dem die Chemotherapie durchgeführt wurde, war mit bequemen Sesseln für die Patienten, einem Fernseher und einer Auswahl an Zeitschriften eingerichtet. Nina wirkte ein wenig nervös, ihr Blick flackerte von Greg zu Sonnet und dann zu der Ansammlung an Pumpen, Schläuchen und hängenden Infusionsbeuteln. Die Krankenschwester trug Handschuhe, weil die Medikamente so giftig waren. Die Ärzte hatten ihr versichert, dass die äußere Haut der Plazenta die Gifte herausfiltern und das Baby beschützen würde. Obwohl Sonnet ein wenig übel war, war sie entschlossen, es sich nicht anmerken zu lassen.
„Du bist ein wenig blass um die Nase“, bemerkte Nina, während sie sich in einen der großen Sessel setzte.
Ertappt. Niemand kannte Sonnet so gut wie ihre Mutter. „Ich stelle mir nur gerade vor, wie du dich fühlen musst.“
„Ich konzentriere mich auf die Vorstellung, dass mir das hier hilft, gesund zu werden.“
„Den Rat sollten wir alle befolgen“, sagte Greg.
„Ich will es nur endlich hinter mir haben. Die Übelkeit wird bestimmt später kommen.“
Die Liste der Nebenwirkungen war lang und grausam. Sonnet hatte sie genau studiert, so wie die anderen Bücher und Artikel, die sie auf der Suche nach einem Körnchen Hoffnung hastig verschlungen hatte. Der schlimmste Teil der Chemo setzte ein, nachdem die Medikamente verabreicht worden waren. „Wir sind für dich da“, sagte sie entschlossen. „Das ist ein Versprechen.“
Nina schaute auf die Uhr. „Du solltest fahren. Ich brauche dich später mehr, okay?“
Greg nickte. „Wir sehen uns heute Abend zu Hause.“
Die anderen Patienten schienen sich für den Tag einzurichten. Einige lasen, andere unterhielten sich miteinander, eine Frau strickte etwa aus scharlachroter Wolle. Sonnet wollte nicht gehen. An der Tür blieb sie stehen und sah sich noch einmal um. Durch die hohen Fenster fiel das Morgenlicht in den Raum und hüllte alles in einen traumhaften Glanz. Der übergroße Sessel ihrer Mutter wirkte wie ein Thron, und all die Schläuche, Pumpen, Ständer und Beutel bildeten einen seltsamen Rahmen um sie. Sie sah aus wie eine sehr wertvolle, zerbrechliche und magische Figur.
„Okay.“ Sonnet zwang sich, stark zu klingen. „Wir sehen uns heute Abend.“
10. KAPITEL
Sonnet fuhr vom Krankenhaus aus direkt zum Camp Kioga, wo heute gedreht werden sollte. Sie war überzeugt, spät dran zu sein, und fuhr auf dem Lakeshore Drive viel zu schnell. Sie hasste es, sich zu verspäten, seitdem sie in der vierten Klasse gleich in der ersten Stunde Sport gehabt hatten. Schon damals war sie in allen Disziplinen so gut, dass sie immer früh in die jeweiligen Teams gewählt wurde. Am besten hatte ihr immer das Zirkeltraining gefallen und am wenigstens der Unterricht im Square Dance, wo sie sechs endlose Wochen mit einem Partner Do-Si-Do-Schritte einstudieren mussten. Es war die reinste Tortur gewesen.
Sonnet war eigentlich nie zu spät zur Schule gekommen, nur an einem tristen Herbsttag hatte Nina einmal vergessen, den Wecker zu stellen, und sie hatten beide verschlafen. Im Eiltempo hatten sie sich in ihre Klamotten geschmissen und waren zur Tür hinausgeeilt. Nina hatte
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