Fuer dich mein Glueck
war Sonnet besorgt. Viele Menschen litten an Krebs und starben daran.
Rastlos ging sie zu ihrem Laptop und checkte ihre E-Mails. Seitdem sie das letzte Mal nachgeschaut hatte, war nichts Neues dazugekommen. Sie seufzte und lehnte sich zurück, um nicht wieder in den endlosen Weiten des Internets nach neuen Informationen über Brustkrebs zu suchen. Davon gab es einfach zu viele. Eine Zeit lang hatte sie einen Blog gelesen, in dem eine Frau ihre Erfahrungen mit dem Krebs aufschrieb, nur um eines Tages zu entdecken, dass der Blog abrupt endete. Hatte die Frau überlebt? Oder war die Erzählung zu einem Ende gekommen, weil die Frau es nicht geschafft hatte?
Ein Chat-Fenster poppte auf ihrem Bildschirm auf.
Was machst du gerade? tippte Orlando.
Sie lächelte. Die Nachricht kam überraschend.
Ich mache mir Sorgen um die Operation meiner Mom. Und was machst du?
Ich denke an dich. Ich wusste, dass du dir Sorgen machst. Halt durch .
Danke, das ist sehr nett von dir, Orlando .
Grüße sie schön von mir. Und schlaf ein wenig. Vollkommen erschöpft wirst du ihr keine große Hilfe sein .
Okay. Ich versuch’s .
Ruf mich nachher an .
Mach ich. Orlando …
Das Chat-Fenster informierte sie, dass User orivera47 sich ausgeloggt hatte. Er war einfach im digitalen Äther verschwunden. Aber dass er sich nach ihr erkundigt hatte, gab ihr das Gefühl, doch nicht ganz allein zu sein.
Sie nahm seinen Rat an und legte sich wieder ins Bett. Doch die Atemübungen, die sie immer mit ihrer Mutter machte, zeigten keine Wirkung. Der Schlaf konnte all ihre Ängste nicht überwinden. Ihre Mom, ihre wunderschöne Mom, stand kurz davor, eine Brust abgenommen zu bekommen.
Sonnet schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass alles gut gehen möge.
Nina fühlte sich wie eine Kriegerin, die sich auf eine Schlacht vorbereitete, als sie ihre Sachen für die Klinik packte. Sie wusste, dass ihr ein schwerer Kampf bevorstand und dass sie wund und verletzt nach Hause kommen würde. Sie würde Schmerzen haben, doch sie war bereit. Obwohl ihr schwindelig war vor Angst, setzte sie selbstbewusst einen Fuß vor den anderen.
Sonnet und Greg warteten am Auto. Nina stand im Flur des Hauses, in dem sie seit ihrer Hochzeit mit Greg wohnte. Gestern Abend hatte sie vor der Kamera, die Zach an ihrem Computer installiert hatte, über ihre Ängste und ihre Entschlossenheit gesprochen.
Aus einem Impuls heraus hatte sie dann Hemd und BH ausgezogen und ein letztes Foto von ihren intakten Brüsten gemacht. Es war das letzte Mal, dass ihr Körper so makellos aussehen würde, wie die Natur ihn erschaffen hatte. Bald würden ihr die Haare ausfallen, und sie würde sich selber so fremd vorkommen wie ein Außerirdischer von einem anderen Planeten.
Bei dem Gedanken daran war sie zusammengebrochen. Sie hatte geweint und gewütet, während ihr Ehemann und ihre Tochter schliefen. Dann aber hatte sie sich zusammengerissen, die Kamera ausgeschaltet und die Datei gesichert. Diese Sequenz würde sie Zach nicht zum Schneiden geben. Vermutlich würde sie sich diesen Schnipsel selbst nie wieder anschauen. Doch sie fühlte trotzdem den Drang, ihn zu behalten, so wie sie auch ihre Tagebücher aus der siebten Klasse und die Liebesbriefe, die sie Shane Gilmore mit vierzehn geschrieben, aber nie abgeschickt hatte, immer noch aufbewahrte. Es war ein privater Teil von ihr, etwas, das sie so lange behalten würde, bis sie es nicht mehr brauchte.
Nina drehte sich um und betrachtete die Möbel, die Greg und sie gemeinsam ausgesucht hatten. Die Spitzengardinen wehten leicht im Wind. An der Wand im Flur hingen Dutzende Familienfotos. Nina sah die lächelnden Gesichter all der Menschen, die sie liebte. Es waren so viele, das gab ihr neue Kraft. Das hier war ihr Zuhause. Ein Ort der Freude, an dem sie sicher war. Sie war entschlossen, hierher zurückzukehren und gesund zu werden.
Nina hob eine Hand und berührte ihre rechte Brust. Nicht alles von ihr würde hierher zurückkehren. Es war schwer, sich vorzustellen, wie radikal anders ihr Körper bald aussehen würde, doch sie ermahnte sich, dass ihre Brust verseucht war. Die Brust musste geopfert werden, um Ninas Leben zu retten. Es gab nichts Kostbareres als das Leben, und Nina liebte ihres sehr. „Alles wird gut“, flüsterte sie dem kleinen Fremden in sich zu. Sie weigerte sich, über die Alternative nachzudenken.
Sonnet und Greg unterhielten sich auf der Fahrt ins Krankenhaus, aber Nina konnte sich nicht auf das
Weitere Kostenlose Bücher