Fuer dich mein Glueck
Angst haben?“
„Sie sind schleimig, und man weiß nicht, wo vorne und hinten ist.“
„Dann fass sie einfach nicht an und guck sie nicht an. Glaubst du, die jagen dir hinterher oder was?“
Es entbrannte ein kleiner Streit, den sie eine Weile zuließen, während die Kameras weiterfilmten. Dann packte Jezebel den Jungen am Kragen und zog ihn ein Stück zur Seite. „Wenn das hier eine Sendung wäre, bei der die Zuschauer die Kandidaten rauswählen dürften, wüsste ich, wer als Erster nach Hause gehen darf.“
„Aber du kannst niemanden nach Hause schicken.“
„Dann hör auf, Streits anzuzetteln, oder ich ändere die Regeln.“
„Ach komm, ehrlich. Würmer?“
„Hört mal“, sagte Jezebel, „Angst ist Angst. Sie ist nicht logisch und ergibt oft keinen Sinn.“
Sonnet grinste und wünschte sich, sie dürfte laut lachen. „Was ist mit dir?“, flüsterte sie Zach zu, der heute nicht filmte, sondern Regie führte. „Wovor hast du Angst?“
„Vor persönlichen Fragen“, flüsterte er zurück.
Die Kinder diskutierten, ob Spinnen oder Salamander gruseliger seien, waren sich jedoch einig, dass nichts furchteinflößender war, als beim Schuldirektor antreten zu müssen.
Während einer Drehpause trat Zach zu Sonnet. „Dir gefällt das hier, oder?“
„Ich beginne, mich in die Kinder zu verlieben. Sie erinnern mich daran, wie gerne ich immer mit Kindern gearbeitet habe und wie sehr mir diese Arbeit fehlt.“
„Warum hast du dann damit aufgehört?“
„Ich habe nicht aufgehört. Ich habe mich einfach weiterentwickelt und die Leitung einer Abteilung übernommen, mit der ich Tausenden Kindern helfen kann und nicht nur einigen wenigen.“ So hatte sie es zumindest vor sich selbst gerechtfertigt. Sie hatte das letzte Jahr damit zugebracht, ihre Entscheidung für diese Karriere schönzureden. Jedes Mal, wenn sie in einem Meeting festsaß oder die Bürokratie sie frustrierte, dachte sie an die Worte ihres Vaters. Er hatte ihr beigebracht, dass man die Welt nur verändern konnte, wenn man die Führung übernahm. An diesen Ratschlag hatte sich Sonnet geklammert.
Doch der kühle Pragmatismus hielt sie nicht davon ab, das zu vermissen, was sie gerne tat.
Sie sah Zach gereizt an, doch er war schon wieder mit etwas ganz anderem beschäftigt. Vielleicht war es ganz gut, dass sie die Unterhaltung nicht weiterführen konnten. Er neigte leider dazu, sehr direkte Fragen zu stellen. Fragen, auf die sie keine Antworten wusste.
Kurze Zeit später filmten sie an der Seilrutsche. Sie hatte ihren Anfang an den Meerskill Falls, die sich mehrere Hundert Meter in die Tiefe stürzten, und endete unten am See. Manche Kinder konnten es kaum erwarten, sich in das Abenteuer zu stürzen. Sie schrien und lachten vor Begeisterung auf der rasanten Fahrt zum Wasser hinunter.
Trotz seiner großen Klappe weigerte sich Andre, die Plattform am oberen Ende über dem Wasserfall zu verlassen. Alle anderen waren schon gefahren. Sogar Jezebel wartete unten auf ihn, doch Andre war ungewöhnlich still geworden und hatte es geschafft, sich so lange im Hintergrund zu halten, bis ein Mitarbeiter ihn bemerkte. Doch kein Zureden half. Andre weigerte sich, auch nur einen Schritt näher an den Rand zu treten.
„Wir brauchen die Kinderflüsterin“, sagte einer der Kameramänner.
Das war Sonnets Spitzname, seitdem es ihr mehrmals gelungen war, ein überaus störrisches Kind zur Mitarbeit zu überreden.
Die Zeit war knapp. Obwohl sie es hasste, gefilmt zu werden, kletterte sie zu Andre hinauf, kniete sich vor ihn hin und schaute ihm in die Augen.
„Ich habe eine Idee“, sagte sie zu dem zitternden Jungen. „Wir fahren gemeinsam. Du und ich. Was meinst du?“
„Was soll das bringen? Dann sterben wir nur beide.“
„Niemand stirbt hier. Du hast doch gehört, welchen Spaß die anderen dabei hatten. Komm schon, ich habe auch Angst, aber ich will es trotzdem machen.“
„Du hast keine Angst. Ich habe vorhin gehört, wie du zu Salt gesagt hast, dass du es kaum erwarten kannst, bis du an der Reihe bist.“
„Salt?“
„So nennen wir ihn.“ Andre zeigte mit dem Daumen auf Zach. „Weil ihr zwei wie Salz und Pfeffer seid.“
Sie spürte, dass sie rot wurde. Sie wollte nicht der Pfeffer zu Zachs Salz sein. „Egal. Komm, wir rutschen jetzt.“
„Sag mir erst, wovor du Angst hast“, sagte Andre. „Dann denke ich vielleicht darüber nach.“
„Ich, tja, es gibt vieles, was mir Angst macht“, gab sie zu.
„Das ist keine Antwort.
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