Fuer dich mein Glueck
konzentrieren, was sie sagten. Sie lächelte leise über das nervöse Geplapper, ohne es wirklich wahrzunehmen.
Im ersten Wartezimmer klebten Greg und Sonnet wie Kletten an ihr. Sie blätterte in einer Zeitschrift, überflog Rezepte für geschmortes Hühnchen und verzierte Cupcakes. Jedes Mal, wenn sie Greg anschaute, sah sie, dass er sie mit ernster, aber hilfloser Miene beobachtete. Sonnet hatte den gleichen Ausdruck im Gesicht. Sie wollte so gerne helfen, konnte es aber nicht. Sie konnten ihr nicht einmal ein Glas Wasser oder einen Keks bringen oder irgendetwas Ermutigendes sagen, dass nicht schon hundertmal gesagt worden war.
„Ich brauche nichts mehr“, sagte Nina leise. „Ihr beide habt mir bereits alles gegeben, was ich benötige.“
Greg nahm ihre Hand. Sonnet sagte: „Oh Mom. Du hast mit mir so viel durchgemacht. Ich wünschte, ich könnte dir nur einen Bruchteil dessen zurückgeben, was du mir gegeben hast.“
Ninas Herz schwoll an. Ja, sie hatte Angst, aber die Liebe ihres Mannes und ihrer Tochter legte sich wie ein schützender Mantel um sie. Die zwei taten ihr mehr leid als sie sich selbst. Sie würde bald bewusstlos auf dem OP-Tisch liegen, während Greg und Sonnet warten mussten.
Die Zeit schleppte sich dahin, bis eine Krankenschwester kam und sie mit in das angrenzende Zimmer nahm. „Nur die Patientin“, sagte die Schwester und hielt Nina die Tür auf. Sie blieb auf der Schwelle stehen und drehte sich mit einem kleinen Lächeln um. Sie winkte ein letztes Mal, dann schloss sich die Tür zischend hinter ihr.
Nachdem sie in das neue Wartezimmer eingetreten war, wurde sie von Panik gepackt. „Ich habe vergessen, ihnen zum Abschied einen Kuss zu geben“, flüsterte sie. Oh Gott. Was, wenn etwas schieflief? Was, wenn sie die beiden nie wiedersähe?
„Sie werden bald wieder bei den beiden sein“, versicherte ihr die Krankenschwester.
Nina begriff, was die Frau ihr sagen wollte. Machen Sie es mit einem langen, panischen Abschied nicht noch dramatischer . Sie nickte und setzte sich in einen übergroßen Sessel. Vier weitere Frauen, die sich an diesem Tag einer Mastektomie oder Lumpektomie unterziehen würden, warteten bereits. Die Zeit zog sich endlos hin in diesem fensterlosen Raum, in dem es nur ein paar abgegriffene Zeitschriften und einen Fernseher zur Unterhaltung gab. Nach einer Weile wurde Nina abgeholt. Sie tauschte ihre Kleidung gegen ein OP-Hemd und Kompressionsstrümpfe. Ihre Brust und ihr Unterarm wurden mit schwarzem Stift angezeichnet, damit der Chirurg genau wusste, was er wo zu machen hatte. Sie ließ die Prozedur seltsam losgelöst über sich ergehen. Erst als der Anästhesist kam, um mit jeder Patientin zu reden, rollte die Angst wieder wie eine große Welle über sie hinweg.
Nach und nach gingen die Frauen in den OP. Nina blieb als Letzte übrig. Als sie endlich dran war, hielt sie einen Moment inne. Sie war erstarrt von dem Wissen, dass ihr Körper ab jetzt nie mehr so wäre wie zuvor. Sie gab ihre Brust freiwillig her, aber trotzdem war es ein Verlust, den sie betrauern musste. Sie strich mit der Hand darüber und sprach einen stummen Dank, dass diese Brust ihre Tochter vor achtundzwanzig Jahren so gut ernährt hatte.
Mit einem Mal konnte es Nina nicht mehr erwarten, die OP endlich hinter sich zu bringen. Wie ein rastloses Tier wanderte sie hin und her. Da sie seit dem Vorabend nicht mehr gegessen hatte, wurde sie langsam hungrig. Endlich begleitete eine Schwester auch sie in den Vorbereitungsraum. Nina war die Prozedur inzwischen gewohnt. Sie kannte die hohe Trage, die Infusionen und die Monitore. Es war kalt in dem Raum. Selbst die dicke Decke, die man ihr gegeben hatte, verhinderte nicht, dass ihr eine Gänsehaut über Rücken und Arme lief. Eine der Schwestern plauderte sanft mit Nina und hielt dabei ihre Hand. Nina wusste, sie würde sich an nichts von dem erinnern, worüber sie sprachen.
Im OP war es noch kälter. Pfleger und Ärzte schoben sie dort auf einen Tisch und redeten beruhigend auf sie ein. Gleich würde sie schläfrig werden.
„Alles ist gut“, murmelte sie, als die Panik wieder kurz aufflammte. Es gab noch so viel, was unerledigt war. Sie musste so vielen Menschen noch so viel sagen. Sie hatte ihren Eltern noch nicht für ihre Liebe und Unterstützung gedankt. Sie hatte vergessen, Greg ein letztes Mal zu küssen. Sie hätte Sonnet besser zureden und ihr sagen sollen, wie stolz sie auf sie war und wie sehr sie sie liebte. Sie hätte das alles bei
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