Für ein Ende der Ewigkeit (Lilith-Saga) (German Edition)
entgegen. Ein paar Straßen weiter sah ich das hell erleuchtete, imposante Gebäude des Opernhauses mit seiner alterwürdigen Sandsteinfassade, seinen Statuen, Fresken und Türmchen.
La Traviata von Giuseppe Verdi stand heute auf dem Programm. Die vom rechten Weg Abgekommene , wie mir Asmodeo bei der Hinfahrt übersetzte. Er skizzierte mir auch die Handlung und erzählte mir die Geschichte von der an Tuberkulose erkrankten Violetta, einer von der Gesellschaft gefeierten Kurtisane, von ihrer großen, jedoch letztendlich unglücklichen Liebe zu dem jungen rechtschaffenen Alfredo, von ihrem selbstlosen Opfer zugunsten der Zukunft von Alfredos Schwester und von ihrem Tod. Ich hörte ihm gebannt zu und konnte es kaum erwarten, mir das Stück anzusehen. Ich war verzaubert von seiner Schilderung.
Das Innere des Staatstheaters selbst hatte eine einzigartige Wirkung auf mich. Es war prunkvoll und edel in Rot- und Weißtönen gehalten.
Von unserer Loge aus hatten wir den besten Blick auf die Bühne.
Um uns herum hörte ich die leise Unterhaltung der anderen Gäste, vernahm das Rascheln einzelner Programmhefte, die umgeblättert wurden. Dann wurde das Licht gedämmt.
Die Vorstellung begann.
8
Ich hatte die Zeit vergessen, so sehr fesselten mich Musik und Handlung. Erst als Asmodeo meine Hand nahm, bemerkte ich, dass es zur Pause geläutet hatte. Die übrigen Zuschauer hatten sich bereits erhoben und befanden sich auf dem Weg ins Foyer. Wir schlossen uns an. Bald standen wir inmitten der anderen Gäste.
Die Realität traf mich wie ein hart geworfener Schneeball. Kein einziger der Theatergäste schien wirklich von der wundervollen Musik oder der tragischen Handlung beeindruckt zu sein. Sehen und gesehen werden, war die einzige Devise.
Alle waren darauf bedacht, sich und ihre gesellschaftliche Position zu präsentieren. Allein das zählte.
Obwohl es von teuren Abendkleidern und Anzügen nur so wimmelte, drehten sich alle nach uns um. Frauen jeden Alters konnten ihre Augen nicht von Asmodeo wenden, der das nicht zu bemerken schien. Mir fiel es hingegen wesentlich schwerer, die eindeutigen Blicke zahlreicher Männer zu ignorieren und die verärgerten Gesichter ihrer Begleiterinnen zu übersehen.
Asmodeo verzog seinen Mund zu einem ironischen Lächeln, während er mich zur Bar bugsierte, in der Absicht, uns zwei Gläser Sekt zu organisieren. Ich weiß nicht wie er es schaffte, dass er nicht in der langen Schlange vor den Tresen warten musste, sondern umgehend bedient wurde.
Wir lehnten uns an einen der vielen runden Stehtische, die im gesamten Raum verteilt waren.
Zwei junge Frauen, aufgetakelt bis zum Gehtnichtmehr, schritten an uns vorbei und taten so, als wären wir unsichtbar. Die Kleinere der beiden sagte etwas in einer mir unbekannten Sprache zu der Größeren, die daraufhin abfällig lachte und mir einen kurzen Blick zuwarf, in dem sich Bosheit und Neid paarten.
Die beiden Frauen hatten uns schon fast hinter sich gelassen, als Asmodeo vortrat, ihnen damit den Weg versperrte und die beiden Frauen in ihrer Sprache anredete. Er wirkte nach außen hin sehr freundlich, doch der Tonfall seiner Worte hatte für meine Begriffe etwas Warnendes, Scharfes.
Und ich hatte mich nicht getäuscht, wie ich gleich darauf feststellen konnte. Die beiden Frauen liefen rot an und antworteten in einem aufgeregten Redeschwall. Auch wenn ich nichts verstand, wirkten sie auf mich sichtlich darum bemüht, zu beschwichtigen.
Asmodeo hörte zu, antwortete knapp und die Frauen suchten erleichtert das Weite, wobei sie versuchten, ihrem hastigen Abgang eine gewisse Würde zu verleihen.
Asmodeo trat zurück an unseren Tisch und lächelte mich harmlos an.
„Was war das jetzt?“, erkundigte ich mich.
Asmodeo machte eine unbestimmte Geste. „Nichts von wirklichem Belang. Mir hat nur nicht gefallen, was sie über dich gesagt haben, aber sie haben sich entschuldigt.“
So viel hatte ich mir selbst bereits zusammengereimt. Etwas anderes interessierte mich viel mehr. „Du hast ihre Sprache gesprochen“, stellte ich fest.
Asmodeo wiederholte seine unbestimmte Geste mit der Hand, diesmal noch gleichgültiger. „Russisch.“
„Du sprichst Russisch?“
„Wenn du es genau wissen willst, beherrsche ich alle Sprachen. Das ist für Dämonen kein Problem.“ Damit schien die für ihn völlig nebensächliche Thematik beendet zu sein. Er hob sein Glas, nippte daran und schnitt eine Grimasse. „Wenigstens ist der Sekt gut gekühlt“,
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