Für ein Ende der Ewigkeit (Lilith-Saga) (German Edition)
hinterließen helle Spuren auf dem verschmutzten Glas. Erst jetzt wurde mir das Ausmaß der Verwüstung vollends bewusst. Ich fühlte mich am Boden zerstört.
„Das wird meine Oma am meisten treffen“, sagte ich zu Johannes, während ich meine schmutzigen Fingerspitzen aneinander rieb, um den Ruß abzubekommen. Doch der Ölfilm war hartnäckig. Er blieb haften.
Stirnrunzelnd betrachtete Johannes die verunstaltete Wand mit den schiefen, teilweise herabgefallenen Bildern. „Die Fotos waren ihr wichtiger als das Haus?“
„Das kannst du nicht verstehen. Die Aufnahmen waren wie ein Tagebuch. Ein Tagebuch ihres gesamten Lebens. Das Feuer hat ihr gesamtes Leben ausradiert.“
Johannes wirkte nachdenklich. „Sie hat doch sicher Negative, dann könnte man die Fotos nachmachen – obwohl, die dürften vermutlich auch verbrannt sein.“
Wir standen inzwischen im Wohnzimmer. Die Fenster waren verschwunden, der Raum ging direkt in die Terrasse über. Luft und Sonnenlicht strömten ungehindert herein. Kleine Staubteilchen wirbelten fröhlich im Gegenlicht. Draußen zwitscherten Vögel.
Negative - ein leiser Hoffnungsschimmer keimte in mir auf. Meine Oma ging immer sehr gewissenhaft mit ihren Sachen um. Sie legte großen Wert auf Ordnung. Das galt bestimmt ganz besonders für die ihr so wichtigen Fotografien. „Ich denke schon, dass sie Negative hat“, sagte ich langsam. „Sie hat mir einmal erzählt, dass sie sie sicher aufbewahrt habe.“
Ich überlegte angestrengt. Wir hatten vor langer Zeit über die Negative gesprochen. Sie befanden sich aber weder im Keller, noch auf dem kleinen Spitzboden.
„Die Negative sind nebenan“, platzte es aus mir heraus. Ich konnte mich nicht mehr bremsen. Ich rannte durch die Verbindungstür in die Garage und dort fiel mein Blick als erstes auf unseren Karmann Ghia. Sein weißer Lack war bräunlich angelaufen, als sei er durch meterhohen Matsch gefahren. Meine Augen irrten im Halbdunkel umher, während ich fieberhaft suchte.
Johannes stemmte sich mit aller Gewalt gegen das geschwärzte Garagentor. Nach einiger Zeit gab es nach, glitt laut quietschend ein Stück weit nach oben.
Zaghafte Helligkeit breitete sich durch den circa meterhohen Spalt im Raum aus. Meine Augen blieben auf einer metallenen Truhe mit Klappschloss haften, die schon immer neben einer alten Werkbank in der Ecke stand. Johannes war meinem Blick gefolgt. Er war schneller dort, als ich.
Er öffnete den Deckel und wir sahen schier unzählige kleine Plastik- und Blechröllchen vor uns. Keine von ihnen war verschmort, nichts war verbrannt.
„Ist es das, was du gesucht hast?“
„Ganz sicher“, antwortete ich aufgeregt.
Gemeinsam schleppten und zogen wir die Fototruhe aus der Garage. Der Kofferraum des Jaguars war tief und großzügig. Wir hievten Gertis Negative hinein. Meine Schmuckkassette stellte ich daneben. Johannes drückte den Kofferraumdeckel zu. Unser Besuch war nicht umsonst gewesen.
„Willst du noch was aus dem Haus oder der Garage mitnehmen?“, vergewisserte er sich.
„Nein, ich glaube nicht, aber lass uns sicherheitshalber nochmals zurückgehen“, sagte ich.
4
Nach dem hellen Tageslicht draußen kam es uns in der Garage noch dunkler vor, als wir sie zum zweiten Mal betraten. Johannes zerrte am Tor um es weiter aufzustemmen, aber es klemmte. Aus lauter Gewohnheit betätigte ich unseren altmodischen Lichtschalter. Ich drehte ihn einmal um die eigene Achse und – klick – das Licht ging an.
Johannes wirkte wie vom Donner gerührt. „Lilith, wie kann das Feuer durch einen Schwelbrand der Elektroleitungen entstanden sein, wenn die Leitungen noch funktionieren?“
Ich öffnete gerade meinen Mund, um ihm zu antworten, als das Metallschiebetor mit einem überlauten Krachen zufiel und den Innenraum in ein trügerisches Halbdunkel tauchte. Mein Kopf wirbelte instinktiv in Richtung des Geräusches. Ein Schatten löste sich aus der Dunkelheit einer der Ecken. Er sprang auf uns zu. Verschwommen konnte ich Johannes wahrnehmen, wie er blitzschnell nach vorne schnellte. Seine Faust traf machtvoll auf einen Körper, ich hörte das Splittern von Knochen.
Die Zeit fror für mich ein. Sie bestand aus zahllosen Momentaufnahmen.
Ich sah einen schwarzgekleideten Angreifer zu Boden sinken, sein Gesicht blutüberströmt, seine Augen blicklos. Über ihm Johannes, erneut sprungbereit, jede einzelne Muskelfaser angespannt. Ein zweiter Angreifer, der sich näherte. Das Aufblitzen eines Messers, das
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