Für ein Ende der Ewigkeit (Lilith-Saga) (German Edition)
Stattdessen wartete ich. Ich wusste, sie würde fortfahren, wenn sie dazu bereit wäre.
„Nun, ich habe dir vorhin erzählt, dass seine Mutter eine sehr gute Freundin von mir war und dass sie während der Schwangerschaft teilweise vollkommen irrationale Ängste hatte.“
Sie fixierte mich. Offensichtlich suchte sie nach den richtigen Worten. Sie senkte ihren Blick und rieb sich mit der rechten Hand über die Stirn. „Der Nebel war der Auslöser. Sie war zeitweise von der Vorstellung besessen, dass…“, sie stockte erneut, „sie war sich sicher, dass mit dem Nebel ein Wesen zu ihr käme. Ein überaus böses Wesen. Und anfänglich war sie überzeugt, dass ihr richtiges Kind im Mutterleib gestorben war.“
„Und ihr Baby, ich meine Asmodeo, für wen hielt sie ihn?“
„Sie glaubte, er sei ein Dämon. Ein Teufel.“
„Wie schrecklich!“
„Das waren lediglich Schwangerschaftsdepressionen“, sagte Gerti. „Die kommen häufiger vor, als man denkt. Nach der Geburt schien es ihr gut zu gehen, sie freute sich über ihr Kind und ihr Mann trug sie wirklich auf Händen. Doch dann, in einem Winter, Asmo war gerade zehn oder elf Jahre alt, kamen die Phobien unvermittelt zurück. Und ich war damals nicht da, um ihr zur Seite zu stehen.“
Sie seufzte.
„Es war alles zu viel für Veronika. Ihr Mann, Giuliano, fand sie eines Morgens. Sie hatte eine Überdosis Schlaftabletten genommen und ist im Krankenhaus gestorben.“
Meine Oma sah in unseren Garten hinaus und verkrampfte ihre Hände auf ihrem Schoss ineinander. „Ich hatte dann keine Kraft mehr, Guiliano und Asmo zu besuchen. Ich wäre ihnen auch gar keine Hilfe gewesen. Ich hätte Veronika zu sehr vermisst. Sie hätten sich viel mehr um mich kümmern müssen, als…, als ich ihnen hätte helfen können.“ Sie lächelte traurig. „Kannst du das verstehen, mein Findling?“
Ich nickte, griff hinüber und drückte ihre Hand.
„Du bist ein gutes Mädchen.“ Sie wischte sich ein paar Tränen aus den Augen. “Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie überrascht ich war, nach so vielen Jahren wieder von der Familie di Borgese zu hören. Und als ich dann heute aus dem Zug stieg, fiel mein Blick als Erstes auf Asmo. Er sieht seiner Mutter sehr ähnlich. Veronika wäre unheimlich stolz auf ihn gewesen. Auf ihren kleinen Sonnenschein, wie sie ihn immer nannte.“
Sie griff in ihre Tasche, holte ein Tempo heraus und schnäuzte sich ausgiebig. Dann lächelte sie mich an und wechselte das Thema. „Und Lilith, was hast du die Woche über gemacht?“
Ich hatte ihr viel zu erzählen. Allerdings fing ich mit den Sachen an, die mir am Unwichtigsten erschienen. Ich wollte sie einfach auf andere Gedanken bringen. Ich berichtete ihr von meiner intensiven Vorbereitung auf Geschichte und meinen Fortschritten beim Taekwondo. Die Sache mit der Beschwörung ließ ich lieber weg, ich wusste, dass sich meine Oma über abergläubischen Firlefanz , wie sie ihn zu nennen pflegte, nur aufregen würde.
Dann erzählte ich ihr von der Grillfete, auf der ich Asmodeo kennengelernt hatte und von dem Essen, zu dem er mich eingeladen hatte. Das alles fand meine Oma sehr interessant und wir lachten unbeschwert über meine Erlebnisse.
Schließlich hielt ich die Zeit für gekommen, mit dem eigentlich Wichtigen herauszurücken. Gerti war der Mensch, dem ich am meisten vertraute. Mehr noch als Vanessa, Katharina und Ute.
„… und ich habe einen jungen Mann kennengelernt.“
„Du sprichst jetzt aber nicht von Asmo, oder?“
„Nein. Er heißt Johannes.“
„Und mit ihm ist es etwas ganz anderes?“
Ich spürte ihren Worten nach, verwundert darüber, dass ich darauf keine eindeutige Antwort wusste. Ich hatte ungeheure Sehnsucht nach Johannes, ebenso wenig konnte ich mich aber der gleichsam unirdischen Faszination entziehen, die Asmodeo auf mich ausübte.
Fast zwanghaft begann ich jedoch von Johannes zu schwärmen - wie vormittags bei Vanessa und Katharina. Ich berichtete ihr von den zerschnittenen Fahrradreifen bei Taekwondo – die Sache mit Silke und Petra ließ ich aus - und dass ich Johannes schließlich nach Hause gefahren hatte. Ich beschrieb das Haus, in dem er wohnte und den einzigartigen Blick, den man vom Kaminzimmer seines Großvaters auf unsere Stadt hatte.
Meine Oma folgte meinen Schilderungen, doch dann verschwand ihr Lächeln. Sie saß kerzengerade auf ihrem Gartenstuhl und ihr Mund wurde schmal.
„Dieser Johannes“, fragte sie mit völlig veränderter Stimme,
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