Für ein Ende der Ewigkeit (Lilith-Saga) (German Edition)
Eindruck von ihm. Er war groß. Er war männlich.
Und er war mir sehr nahe. Ich konnte seine Energie spüren. Ohnmacht und Schwäche schossen durch mich hindurch. Meine Beine drohten, unter mir nachzugeben. Doch da gab es noch eine weitere Emotion. Ich hatte panische Angst, Angst vor dem Gefühl der Geborgenheit.
„Komm mit mir“, sagte der Unbekannte.
15
Er ergriff meine Hände und zerrte mich fort. Tiefer in den Nebel hinein.
Das einzige, was für mich gleich blieb, war der Druck an meinen Handgelenken und die eiskalte Panik – die sonderbare Panik vor dem Vertrauten. Sie kroch bis in mein Herz hinauf und ich wusste plötzlich, wie es war, zu sterben.
Und als ich dachte, es wäre alles aus, als ich mir sicher war, dass das mein Ende bedeutete, blendete mich das Licht.
Ich schloss meine Augen, um sie mit letzter Kraft wieder zu öffnen. Alles um mich herum schien zu brennen.
Ich konzentrierte mich auf meine Umgebung und die Bilder wurden schärfer. Ich war von hunderten kleiner Lichter umgeben. Später erkannte ich sie als Kerzen, die in dem Raum brannten – in einem großen, hohen, pompösen Raum, gestützt von steinernen Säulen und mit langen, schmalen Fenstern an der Stirnseite.
Die zahllosen Kerzen erleuchteten eine Frau aus einer anderen Welt, die mir gegenüber stand. Sie trug ein tief ausgeschnittenes Kleid, das fast bis auf den Boden reichte. Es war aus grünem Samt und weißer Seide gefertigt und betonte aufreizend ihre schmale Taille. Um ihren bloßen Hals schlang sich eine Kette von funkelnden Sternen. Es dauerte lange, bis ich begriff, dass es Diamanten waren.
Was nicht zu der Frau passte, waren ihre Haare. Sie waren hoch aufgetürmt und weiß. Ich sah genauer hin und merkte, dass die Frau eine weißgepuderte Perücke trug.
Wir betrachteten uns aufmerksam. Ich wollte die Frau ansprechen, doch gleichzeitig setzte auch sie zu einer Begrüßung an. Wir beide verstummten, lachten uns leicht verlegen zu. Mit einer höflichen Geste meiner Hand forderte ich sie auf, zuerst zu sprechen. Sie führte zeitgleich exakt dieselbe Bewegung aus.
Wieder kam die Kälte in mir hoch. Auf einmal wurde mir klar, dass ich vor einem Spiegel stand, in meine eigenen Augen blickte, meine eigene Reflektion betrachtete.
Hinter mir schwang eine Tür auf. Eine Frau näherte sich mir. Sie trug ein schwarz-weißes Wollkleid, ihre Haare waren zu Zöpfen geflochten und um ihren Kopf gelegt. Sie sprach mich an - es war eine melodische Sprache, die ich nicht kannte. Ich versuchte, einzelne Wörter aus ihrem Redeschwall herauszuhören. Ganz allmählich vernahm ich Silben und dann – mit einem Mal - verstand ich alles.
„Madame La Comtesse, Ihr werdet unten erwartet.“
Ich zögerte, wusste ich doch nicht, was ich darauf antworten sollte, noch wusste ich, was das unten bedeutete.
Die Frau zupfte an meinem Kleid herum und strich einige Falten glatt. Sie sprach zu meinem Spiegelbild, während sie mit mir beschäftigt war. Ihre Miene drückte nahezu grenzenlose Ergebenheit und auch eine gewisse Vertrautheit aus.
„Wenn Madame es erlauben, würde ich Euch gerne sagen, dass Ihr wundervoll ausseht. Kein Mann wird Euch heute widerstehen können. Madame werden sämtliche Herzen brechen.“
Sie legte mir eine Schärpe aus golddurchwirktem Stoff um die Taille und verknotete sie kunstvoll. Dann überprüfte sie mein Spiegelbild nochmals. Sie wirkte zufrieden.
„Monsieur Le Comte, der Graf, ist bereits hier.“
Sie schien von mir zu erwarten, dass ich durch die Tür ging, durch die sie gekommen war.
Also machte ich mich auf den Weg. Bei jedem meiner Schritte zerrte das Gewicht des Kleides an mir. Und ich war eng geschnürt. Nur mit Mühe konnte ich atmen.
Entschlossen legte ich meine Hand auf den geschwungenen Eisengriff und öffnete die Tür. Dahinter war ein langer Gang, in dem zahlreiche Fackeln brannten und tanzende Lichter verbreiteten.
Vor mir stand ein alter, zittriger Mann in gebeugter Haltung. Seine wässrig-blauen Augen schauten aus einem hellgepuderten Gesicht, auf dem rote Backen aufgemalt waren. Auch er trug eine weiße Perücke. Seine Kleidung bestand aus glänzenden, teuren Stoffen. Seine Beine steckten bis zu den Knien in seltsamen dünnen Strümpfen, darunter zeichneten sich seine mageren kraftlosen Waden ab.
„Madame sehen heute zauberhaft aus.“ Er entblößte eine Reihe von schwarz-braunen Stumpen, die früher seine Zähne gewesen waren.
Er hakte sich bei mir unter, als würden wir das jeden
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