Für ein Lied und hundert Lieder
Kahlkopf dich noch »Mutter« nennen, vor allen?
Ertrage ich noch diese Liebe
diesen Hauch, der zu sanft ist für mich?
Um halb vier in der Früh, ich war am Eindösen, dachte ich an Wang Er – er war der verschlafenste Kerl auf der Welt, den ganzen Tag lag er zusammengekauert in der Höhle seiner Decke und hielt Winterschlaf. Wenn er zufällig einmal den Kopf herausstreckte, hustete, spuckte oder eine rauchte, waren ihm die Felldiebe eilfertig zu Diensten. Wenn er rauchte und plauderte, blies er Rauchringe in die Luft. Wang Er war von einer ungewöhnlichen Beredsamkeit, es hieß, er habe noch nie einen echten Gegner gehabt.
»Jetzt haben wir am Ende sogar einen Schriftsteller«, seufzte er, »von heute an wird dir der Traumjob übertragen, rauszugehen und Bücher zu tauschen!« Anschließend wurde ich in eine Arbeitsgruppe mit fünf Leuten gesteckt.
»Lies du nur, die Arbeit macht jemand für dich!«, sagte er mit einem Augenzwinkern.
Ich fühlte mich außerordentlich geschmeichelt. Seit einigen Monaten, seit ich die Rückenfesseln los war, versuchte ich alles, meine Pflicht zu tun, aber aufgrund der Schwerfälligkeit meiner Arme und Beine arbeitete ich mir den Buckel krumm, ohne die vorgeschriebene Norm erfüllen zu können.
Ich hatte mich noch nicht bedankt, als Wang Er sich schon wieder in seine Höhle zurückzog. Voller Ungeduld bin ich vom Kang herunter und habe mir aus der Ecke »1984« gezogen. Bevor ich mich an die Lektüre machte, warf ich den übrigen Mitgliedern der Arbeitsgruppe einen Blick zu, ich hatte ein schlechtes Gewissen, ihnen allen stand der Ärger ins Gesicht geschrieben. Vor allem ein kleiner schielender Kerl rechts von mir war knallrot angelaufen, beim Arbeiten machten seine Finger ein Riesengepolter, anschließend hat er sogar einige Kartons kaputtgemacht. Ich legte hastig das Buch weg und machte mich an die Arbeit, nicht ahnend, dass Wang Er sich längst umgedreht und aufgesetzt hatte.
»Wan Li!«, rief er leise.
Den schielenden Kleinen schüttelte es, als habe ihn der Blitz getroffen.
»Ich wollte dich eigentlich gerade zum Chef der Felldiebe machen«, schüttelte Wang Er enttäuscht und verärgert den Kopf, »ach, es ist kein Wunder, dass der Vorsitzende Mao gesagt hat, die Erziehung der Bauernschaft sei ein schwieriges Problem.«
»Man muss sich an die Regeln halten!«, schrie der alte Bai, unser Außenminister. Daraufhin nahm Wan Li, der Kandidat für den Posten des Felldiebchefs, Schuld und Verantwortung auf sich, gab sich zunächst selbst eine Ohrfeige, wobei die restlichen drei gleich mitmachten. Der alte Bai saß daneben und zählte mit. Vier kaltgesichtige Maschinen mit starren Blicken schlugen, wie bei militärischem Drill in regelmäßigem Rhythmus, rechts und links zu, es gab nicht die geringste Schwankung.
Ich konnte nicht mehr zuschauen und rief immer wieder: »Stop!« Aber die Vier schlugen nur noch fester zu, und Wan Li lächelte mich bei den Schlägen auch noch an.
Als Wang Er das sah, ließ er sich entmutigt fallen und rollte sich wieder in seinen Winterschlaf. Daraufhin fiel über die Posse der Vorhang, und in der Zelle war es eine Weile mucksmäuschenstill.
»Lesen oder Arbeit?«
Ich steckte in der Klemme, senkte den Kopf und erstarrte. Aber als ich sah, dass Wan Li vor sich hin plapperte, wollte ich schon zu ihm hin und mich nach seinem Befinden erkundigen. Aber er fiel mit einem Muhen auf den Rücken – er hatte einen epileptischen Anfall. Im gleichen Augenblick wurde sein ganzer Körper, wie unter einem Stromschlag, stocksteif und trommelte einen heftigen Gewitterregen auf die Dielen und das Kang. Als die Meute das hörte, war sie begeistert, als sei das ein besonderer Festtag, stellte sich um ihn herum, klatschte in die Hände und sang einen gerade populären Werbeslogan: »Was für eine Freude, Springspring-Bonbons!«
Mitten in diesem Lärm warf Wang Er ein Kleidungsstück herunter und rief: »Stopft ihm das zwischen die Zähne!«
Aber es war zu spät, Wan Li hatte bereits weißen, übelriechenden Schaum vor dem Mund. Ein Landei, sein Spitzname war Wan Jiale, das »Glück der zehntausend Familien«, nahm das Kleidungsstück und wollte es ihm über den Mund legen, aber Wan Li biss sich an ihm fest und fing an zu kauen. Auf Anweisung von Wang Er durfte Wan Jiale das Kleidungsstück auf keinen Fall loslassen. Erst nach einem richtigen Tauziehen gelang es fünf Felldieben, Wan Li das Stück Stoff mit Gewalt aus den Zähnen zu ziehen.
Wan Li
Weitere Kostenlose Bücher