Fuer eine Nacht und fuer immer
jagte. Doch bevor sie noch einmal in seine dunklen Samtaugen schauen konnte, war er schon in der Menschenmenge verschwunden.
Sie biss sich auf die Unterlippe und kämpfte gegen den plötzlichen Impuls an, ihm zuzurufen, dass er zurückkommen solle. Erinnerungen an seinen an sie geschmiegten erhitzten Körper, an ihre erregten Seufzer und die mit Leidenschaft erfüllte Luft gingen ihr durch den Kopf. Aber mehr noch, er hatte ihr geholfen, ohne Fragen zu stellen. Wieso ließ sie diesen Mann einfach weggehen, wo sie doch wusste, dass sie ihn wahrscheinlich nie wiederfinden würde?
Sie ging in die Richtung, in die er verschwunden war, aber nach ein paar Schritten wurde ihr klar, dass es zu spät war. Im Terminal herrschte Chaos; sie würde ihn nicht finden. Obendrein riskierte sie, ihren Flug zu verpassen. Und selbst wenn sie ihn einholte – was sollte sie ihm sagen?
Sie hatten eine fantastische Nacht miteinander verbracht. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass er mehr von ihr wollte, ging gen null. Anderenfalls hätte er Anstalten gemacht, herauszufinden, wie er sie erreichen könnte. Er war froh, dass es vorbei war. Und sie versuchte, sich einzureden, dass sie das nicht bedauerte.
Charlotte hatte einen Fensterplatz in der geräumigen und relativ ruhigen Tabua Class. Der Platz neben ihr war frei. Nachdem sie die Kopfhörer aufgesetzt hatte, schloss Charlotte die Augen und döste.
Kalt … fröstelnd rieb sich Charlotte die Arme und kämpfte gegen die Bilder an, die sie seit sechs Wochen plagten.
Flynn, der in ihrer Küche gestanden und gesagt hatte: „Ich habe beschlossen, bei der nächsten Landtagswahl zu kandidieren.“
„Du hast … was? Du willst in die Politik gehen?“ Es war ihr schwergefallen, seine Ankündigung zu verarbeiten. „Ich dachte, dass du dich nur ehrenamtlich im Wahlkreis engagierst. Wegen unserer Pläne für das Käse- und Weinlokal …“
„Es wird dieses Lokal nicht geben, Charlotte.“
„Aber dein Weinanbau-Kurs …“
„Da gehe ich seit letztem Jahr nicht mehr hin.“
„Und das hast du mir nicht gesagt?“ Sie war fassungslos gewesen. „Du hast es nicht nötig gehabt, deiner Verlobten zu sagen, dass du vorhast, eine Laufbahn als Politiker einzuschlagen?“ Wer war dieser Mann, den sie zu kennen geglaubt hatte?
„Ich weiß ja, dass du dich nicht gern in der Öffentlichkeit zeigst. Und, offen gestanden: Als zukünftiger Politiker kann ich es mir nicht leisten, mit einer kleinen grauen Maus verheiratet zu sein.“
Der Mann, der sie als sechzehnjähriger Teenager mit seinen grünen Augen, seiner Redegewandtheit und seinem tollen Aussehen verführt hatte, sah nun verächtlich auf sie hinab.
„Schau dich doch einmal an, Charlotte. Du lebst in der Vergangenheit. Ich brauche eine starke Frau an meiner Seite. Eine Frau, die sich zu kleiden weiß. Die sich nicht scheut, vor Publikum zu sprechen.“
Er hatte alles verraten, was sie in ihm gesehen hatte. Was sie in ihnen gesehen hatte.
Als das Flugzeug in ein kleines Luftloch fiel, erwachte sie. Unter sich sah sie eine sich dahinschlängelnde Küstenlinie; der Landeanflug auf Nadi hatte bereits begonnen. Flynn hatte ihre gesellschaftliche Stellung ausgenutzt, um Beziehungen zu knüpfen, und sie dann weggeworfen.
Kleine graue Maus.
Zähneknirschend sah sie hinab auf die grüne Landschaft. Gestern Nacht hatte sie bewiesen, dass sie selbstbewusst war und sein konnte, wer immer sie sein wollte. Eigentlich musste sie Flynn dankbar sein, dass er sie aus ihrem Dornröschenschlaf gerissen hatte.
Unter ihr schlängelte sich ein Fluss dahin, die Wedel der Palmen bogen sich sanft im Nachmittagswind, in den Bergen weiter hinten stieg Rauch auf. Sie atmete tief ein. Eine neue Umgebung und ein wenig Zeit, um Ballast abzuwerfen, lagen vor ihr.
Sie trat hinaus an die tropische Luft und folgte den anderen Fluggästen ins Terminal. Vier Einheimische mit bunten Hemden und Hibiskusblüten im Haar begrüßten sie mit strahlendem Lächeln und Banjoklängen.
„Bula!“ Willkommen.
„Vinaka!“ Danke.
Charlotte ging zum Gepäckband und nahm ihren Koffer. Schon jetzt liebte sie Fidschi. Ein Ort, wo sie niemanden kannte und keiner wusste, wer sie war.
Doch diese Gewissheit schwand augenblicklich, als sie plötzlich die breiten Schultern in dem wohlbekannten dunklen Hemd neben dem Gepäckband erblickte. Ihr Herz machte einen Satz und sie fühlte sich auf einmal ganz schwach. Sie sah zu, wie er seine Tasche vom Band nahm.
Nic.
Wie gebannt stand sie
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