Für eine Nacht
wäre ein glatter Durchschuss gewesen und sie hätten dich hauptsächlich wegen des erlittenen Schocks behandeln müssen. Aber wie fühlst du dich wirklich?« Er beugte sich zu ihr. Seine Lippen streiften ihre Stirn; eine zärtliche Geste, die ihr seit frühester Kindheit vertraut war.
Dankbarkeit für diesen Mann wallte in ihr auf, der ihr ein so schönes, sorgloses Leben ermöglicht hatte. Ein Leben, wie es Samson verwehrt geblieben war.
»Wie sieht es hier drinnen aus?« Michael tippte gegen seine Brust.
Sein instinktives Verständnis rührte sie. Der Klang seiner tiefen, warmen Stimme vermittelte ihr das Gefühl, dass ihre Welt wieder in Ordnung war. Sie hätte nie daran zweifeln sollen. Hätte nie an ihm zweifeln dürfen. Wäre sie sofort zu ihm gegangen, nachdem sie die Wahrheit über Samson erfahren hatte, hätte sie allen Beteiligten viel Kummer erspart. »Alles bestens«, erwiderte sie schwach.
»Angeschossen zu werden kann ich nun wirklich nicht so bezeichnen«, entrüstete sich Michael, stand auf und begann in dem kleinen Raum auf und ab zu gehen. »Und ausgerechnet von den Männern verraten zu werden, denen ich am meisten vertraut habe, schon gar nicht«, fuhr er mit erhobener Stimme fort.
Madeline, die seine Erschütterung und seine Wut zu spüren schien, erhob sich ebenfalls, trat zu ihm und ergriff seine Hand. »Sloane ist verletzt, aber sie wird wieder gesund werden.« Sie sprach in demselben beschwichtigenden Tonfall, den sie immer angeschlagen hatte, wenn Sloane krank war oder sich das Knie aufgeschürft oder sich mit einer Freundin gezankt hatte. »Alles andere ist dein Problem, Michael, nicht ihres. Aber wir stehen das schon durch. Zusammen stehen wir das durch. Wir brauchen nur ein wenig Zeit.«
Sloane verlagerte ihr Gewicht in den Kissen, doch ihre Schulter protestierte augenblicklich. Mit schmerzverzerrtem Gesicht fragte sie: »Was wirst du gegen Frank und Robert unternehmen?«
»Ihnen ihre gottverdammten Ärsche auf ...«
»Michael!«, tadelte Madeline ihn streng.
Trotz des ernsten Themas musste Sloane kichern.
Ohne ihren Mann weiter zu beachten, wandte sich ihre Stiefmutter zu ihr um. »Robert ist von Rick Chandler verhaftet worden. Seine Waffe wurde sichergestellt. Frank wurde in
New York verhört. Zu behaupten, die beiden sind gefeuert, wäre eine Untertreibung.«
Sloane schluckte. Sie konnte sich vorstellen, wie Michael unter der Situation leiden musste. »Hast du sie schon zur Rede gestellt?«
Michael schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Aber die Polizei hat mich über den Verlauf der ersten Befragung informiert. Zuerst hat Robert versucht, sich herauszureden, der elende Feigling, aber als er erfuhr, dass er nicht Samson, sondern dich getroffen hat, ist er zusammengebrochen und hat alles gestanden.«
»Du meinst, er hat doch noch so etwas wie ein Gewissen?« , fragte Sloane. »Schwer zu glauben, nachdem er versucht hat, meinen Vater umzubringen«, murmelte sie dann, ehe ihr bewusst wurde, wer ihr zuhörte. Ihre Wangen färbten sich flammend rot, und Tränen traten ihr in die Augen, als sie Michael ansah. »Oh, Dad, es tut mir Leid. So habe ich das nicht gemeint ...«
Er wischte die Entschuldigung mit einer Handbewegung beiseite. »Es gibt vieles, worüber wir miteinander sprechen müssen. Die Wahl deiner Worte soll jetzt dein geringstes Problem sein, Liebes.« Aber dann wandte er sich ab, und sie sah, wie er sich mit dem Hemdärmel über die Augen fuhr.
Sloane biss sich auf die Lippe. Sie wusste nicht, was sie jetzt hätte sagen sollen.
Sowie Michael sich wieder gefasst hatte, zog er sich den Stuhl an ihr Bett heran. »Du fragtest, ob Robert noch so etwas wie ein Gewissen hat. Ich nehme an, das hängt von der
Definition ab. Jedenfalls hat er zugegeben, den Schuss abgefeuert zu haben, beteuerte aber, er hätte keine Ahnung gehabt, dass du dich in diesem Baumhaus aufgehalten hast.«
»Also ist die Gefahr jetzt endgültig vorüber?«
Michael nickte. »Du bist in Sicherheit. Samson ebenfalls. Ich nehme an, ihr beide habt euch inzwischen kennen gelernt.« Ein leises Lächeln umspielte dabei seine Lippen, und da wusste Sloane, dass er verstand, warum sie den Mann hatte aufsuchen müssen, der sie gezeugt hatte. Und er wusste auch, dass sie ihn, Michael Carlisle, trotz aller Fehler, die er gemacht hatte, immer noch liebte.
»Wir sind uns begegnet.« Sloane strich geistesabwesend über den Verband.
»War es schlimm für dich? Wie ich hörte, ist er... anders als andere
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