Für einen Kuss von Frisco
Idiot.
„Knapp fünf Kilometer.“ Sie holte einen Krug mit Eistee aus dem Kühlschrank und goss sich ein Glas ein. „Aber heute waren es nur vier.“
„Du musst vorsichtig sein, wenn es so heiß ist wie heute.“ Oh Mann, wie lahm sich das anhörte. Lahm? Ja, das traf es, in mehr als einer Hinsicht.
Mia nickte nur und nippte von ihrem Tee.
„Deine Mutter ist also Künstlerin.“
Mia lächelte. Verdammt, es war so ein schönes Lächeln! Hatte er wirklich noch vor zwei Tagen gefunden, dass es albern aussah, wenn sie lächelte?
„Ja. Sie hat ein Atelier in der Nähe von Malibu. Da bin ich aufgewachsen.“
Frisco nickte. Jetzt war vermutlich er dran. „Ich bin hier in San Felipe aufgewachsen, im hinterletzten Kaff von Kalifornien.“
Ihr Lächeln wurde breiter. „Auch hinterletzte Käffer haben ihre Berechtigung. Nicht, dass ich San Felipe für das hinterletzte Kaff hielte.“
„Deine Meinung in allen Ehren“, erwiderte er achselzuckend. „Für mich wird San Felipe immer das allerletzte Loch bleiben.“
„Dann verkauf deine Wohnung und zieh nach Hawaii.“
„Stammt deine Familie von da?“, fragte er.
„Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht genau.“ Mia sah in ihr Glas. „Ich denke, es fließt hawaiianisches oder polynesisches Blut in meinen Adern. Aber sicher bin ich mir nicht.“
„Deine Eltern wissen es nicht?“
„Sie haben mich adoptiert. Über eine Auslandsagentur, und deren Unterlagen waren äußerst dürftig.“ Sie blickte auf und sah ihn an. „Ich hatte mal eine Phase, in der es mir wichtig war, meine leiblichen Eltern ausfindig zu machen, weißt du.“
„Leibliche Eltern sind nicht immer die Mühe wert. Ich wäre besser dran gewesen, wenn ich meine nie kennengelernt hätte.“
„Das tut mir leid“, sagte Mia leise. „Früher hätte ich dir wahrscheinlich widersprochen und gesagt, dass du das nicht ernst meinen kannst oder dass das einfach nicht wahr ist. Aber ich unterrichte jetzt schon mehr als fünf Jahre an der städtischen Highschool. Ich weiß, dass die meisten Menschen weder eine solche Kindheit noch solche Eltern hatten wie ich.“ Ihre wunderschönen haselnussbraunen Augen leuchteten warm vor Mitgefühl. „Ich weiß nicht, was du durchgemacht hast, aber … es tut mir ehrlich leid.“
„An einer Highschool zu unterrichten soll heutzutage ja ziemlich gefährlich sein. All die Drogen, Waffen und Gewalt“, bemühte Frisco sich verzweifelt, das Gespräch wieder auf weniger düsteres und persönliches Terrain zu lenken. „Hat man dir zur Vorbereitung wenigstens ein paar Selbstverteidigungstechniken beigebracht?“
Mia musste lachen. „Nein, wir sind ganz auf uns gestellt – den Wölfen zum Fraß vorgeworfen, wie man so schön sagt. Einige der Lehrer behelfen sich mit militärischem Drill. Aber ich habe festgestellt: Besser als jede Bestrafung wirkt bei den Kids positive Bestärkung.“ Sie nahm noch einen Schluck von ihrem Tee und musterte ihn nachdenklich. „Vielleicht solltest du es mal damit probieren. Bei Natasha meine ich.“
„Was?“ Frisco schüttelte den Kopf. „Soll ich sie für ihr Weglaufen etwa auch noch belohnen? Das kann nicht dein Ernst sein.“
„Welche Strafe soll bei ihr denn wirken?“, beharrte Mia. „Denk in Ruhe darüber nach. Die arme Kleine ist schon genügend bestraft dadurch, dass ihre Mommy weg ist. Wahrscheinlich kannst du ihr nichts mehr wegnehmen, was ihr sonderlich wichtig ist. Du kannst sie anbrüllen und zum Weinen bringen. Du kannst ihr Angst einjagen, dafür sorgen, dass sie sich vor dir fürchtet. Was erreichst du damit? Womöglich noch schlimmere Albträume. Belohn sie, wenn sie dir gehorcht. Mach ordentlichen Wirbel darum und zeig ihr damit, wie wichtig sie dir ist. Ich schätze, dann lernt sie viel schneller, deinen Regeln zu folgen.“
Frisco fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Aber ich kann doch nicht so tun, als wäre heute Morgen nichts gewesen.“
„Das ist kein leichter Weg“, räumte Mia ein. „Einerseits musst du ihr deutlich machen, dass ihr Verhalten nicht akzeptabel ist. Andererseits darfst du der Sache nicht zu viel Bedeutung geben. Kinder, die sich nach Aufmerksamkeit sehnen, benehmen sich oft daneben, weil sie erlebt haben, dass sie so am ehesten wahrgenommen werden.“
Frisco lächelte unwillkürlich. „Ich kenne da ein paar sogenannte Erwachsene, die dieses Spiel auch sehr gut beherrschen.“
Mia musterte den Mann, der an ihrem Küchentisch saß. Es war zum Verrücktwerden. Er sah so aus,
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