Für hier oder zum Mitnehmen?
sind wir beide an eine Ort und doch nicht an eine Ort.«
Magnus spricht gutes Deutsch, mit einem angenehm schwedischen Akzent. Irgendwas will er von mir, denke ich, das wird kein normales »Wie geht es dir so und ach, was waren das damals für Zeiten«-Gespräch. Diese ersten Sätze hat er sich nicht spontan überlegt, die hatte er vorbereitet. Eigentlich habe ich überhaupt keine Zeit für private Treffen. Alleine hier am Tresen fallen mir sofort viele Kleinigkeiten auf, die noch erledigt und verbessert werden müssen. Klamotte hat die Lampen im Rücktresen noch nicht aktiviert, und den Mitarbeitern muss ich noch mal verdeutlichen, wie man die Milchdüse der Kaffeemaschine korrekt reinigt.
Milena hatte sich entfernt, als ich mich zu Magnus setzte, und poliert bereits polierte Gläser. Sie hört uns offensichtlich unauffällig zu, die Musik ist ungewöhnlich leise. Gut sieht sie aus, wenn sie Gläser poliert. Einen Fuß stellt sie nach hinten auf die Spitze, das andere Bein drückt sie stramm durch. Die Wände unserer Gläser werden dünn und zerbrechlich sein, wenn sie jemals auf einen Gast treffen.
»Schön, dass wir uns mal wieder sehen. Zum ersten Mal bei Tageslicht, aber immerhin in einer Kneipe. Was hast du denn so getrieben in den letzten Jahren?« Ich mache eine Pause, kneife ein Auge zu und blicke an Magnus vorbei in die Vergangenheit. »Wie viele Jahre sind es eigentlich? Mindestens sechs, oder eher sieben?«
»Es kommt mir vor wie ewige Zeiten. Berlin hat sich doch absolut geändert seitdem, und du auch, wie es aussieht. Was für ein Café du jetzt hast!« Er blickt sich anerkennend um.
»Ja, Fotomotive, die dich reizen könnten, sind heute sicher weniger vorhanden als früher. Fotografierst du noch?«
»Absolut, das ist echt meine Ding. Habe meinen Magister aber erst gerade beendet. In den letzten Jahren habe ich auch eine Café gemanagt. In Stockholm. Als Barkeeper begonnen, und bin dann Partner geworden. Man kennt das. Um meinen Magisterexamen aber dann endlich doch noch zu machen, habe ich dort quittiert und will jetzt in der absolut angesagtesten Stadt der Welt eine Galeristen finden und absolut als Kunstfotograf mein Geld gewinnen.«
»Am Ende machen doch alle ihren Abschluss«, seufze ich mehr in mich hinein, als ihm zu entgegnen, und schaue dabei auf die Tresenfläche vor mir. Sie besteht aus einem Beton-Holzfaser-Gemisch, für einen Tresen ein ungewöhnlicher Werkstoff, aber bestens geeignet, da er extrem hart ist, fast wie Beton, sich aber noch bearbeiten lässt wie Holz, zumindest wie sehr hartes Holz. Auf der noch unbezahlten Rechnung des Tischlers stehen als Sonderposten Sägeblätter zu Buche.
»Ich benötige aber im Moment absolut noch eine Nebenjob und wollte dich fragen, ob ich dir nicht ein wenig helfen kann, aus deine Laden den absolut angesagtesten der Stadt zu machen? Ich kann fast alles, was in der Gastronomie man so braucht. Ich könnte dir auch die Schichtpläne abnehmen, das habe ich in Schweden jahrelang erarbeitet.« Er sieht mich aufmunternd an, dreht beide Handflächen nach oben und zieht die Schultern hoch, während er sich etwas zurücklehnt.
Magnus’ skandinavische Herkunft ist unverkennbar. Er hat etwas Bärig-Väterliches an sich, ist groß und kräftig, aber sportlich gebaut und trägt das halblange Haar nach hinten gekämmt. Sein Gesicht mit leicht hervorstehenden, gesund durchbluteten Backen sieht nach einem Leben in der Natur aus und ist so glattrasiert, dass ich mich frage, ob er überhaupt Bartwuchs hat. Sein Kleidungsstil ist skandinavisch formell-informell.
Der Mann ist gut informiert. Ich hänge mit dem Erstellen des Schichtplanes für Oktober seit Tagen hinterher, der Monat beginnt bald, die Mitarbeiter betteln bereits um die Veröffentlichung.
Milena bedient einen Gast, der eine große Bestellung zum Mitnehmen aufgegeben hat. Zwei große Tüten bereitet sie zum Befüllen mit Ware vor.
Magnus nutzt mein Zögern, um zu ergänzen: »Ich wohne hier gleich nebenan, in eine ganz lustige WG auf der Torstraße, und bin zurzeit absolut flexibel zu haben.«
Der Gedanke, dass ich an einem der nächsten Abende nicht die qualvolle Erstellung des Schichtplanes erledigen muss und vor allem die Diskussionen mit den Mitarbeitern nach der Veröffentlichung des Planes an jemanden delegieren könnte, fühlt sich befreiend an. Ob Magnus, den ich nur aus dem Nachtleben kenne, dafür der Richtige ist? Vielleicht könnte man eine Art Probezeit vereinbaren.
Milena rauscht
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