Für hier oder zum Mitnehmen?
heran, sie ist wegen der großen Bestellung gastronomisch und schauspielerisch aufs Äußerste gefordert. Mit einem aufgesetzt professionellen Lächeln fuchtelt sie direkt vor Magnus und mir mit Verpackungsmaterialien herum, so dass wir uns instinktiv etwas zurücklehnen, um aus der Gefahrenzone zu kommen.
Lächelnd zischt sie mich an: »Wo ist das Einwegbesteck? Ich hoffe, du hast es endlich mal besorgt!«
»In der Küche.« Ich lächele zurück und versuche meine Lippen möglichst wenig zu bewegen.
Bevor ich ihr meine Unterstützung anbieten kann, verschwindet sie. Ich lächele weiter, schwenke meinen Kopf zu dem Mitnehmgast und nicke leicht. Der Mitnehmgast ist eine sehr kleine, sehr alte Frau. Ihre freundlichen Augen hinter einer großen Brille reichen knapp über die obere Tresenkante. Ihr Mund, der Zufriedenheit ausstrahlt, ist durch das Präsentationsfenster der obersten Kuchenauslage zu sehen.
Hinter der alten Dame betritt der Amerikaner das Café. Ich erkenne ihn sofort, obwohl ich ihn noch nie gesehen habe.
»Der Amerikaner!«, sage ich halblaut vor mich hin.
»Soll ich das lieber übernehme?« Magnus fasst mich am Arm.
»Nein, das muss ich schon selber machen.«
Ich stehe entschlossen auf. Während ich zielstrebig durch den Tresen schreite, frage ich mich, wie tief Milena Magnus in die Geschäftsgeheimnisse eingeweiht hat.
Selbstbewusst und freundlich lächelnd bediene ich den Mann, der mindestens einen Meter größer ist als die alte Dame.
»Guten Tag! Was darf es bitte sein?«
Er bestellt einen Kaffee und ein Milchfladenbrot, belegt mit Halloumikäse und frischer Minze, das ich auf dem Grill erwärme. Wenn dieser Mensch spricht und einen mit durchdringendem Blick fixiert, schaut man in einen Abgrund, in einen Abgrund, dessen Boden nur schwarze Leere ist.
»Der Sommer scheint langsam wirklich vorbei zu sein.« Er formuliert sauber gebaute Sätze mit amerikanischem Akzent und einer butterweichen, tiefen Stimme, man wünscht sich, dass diese Stimme niemals aufhört, an Howard Carpendale denke ich. »Dort, wo ich herkomme, ist jetzt Indian Summer, das ist die schönste Jahreszeit dort.«
Etwas ist irritierend, während der Mann mich in einen Smalltalk verwickelt. Beinahe hätte ich es übersehen: Während er redet, klickt er ohne hinzuschauen zwanzig oder dreißig Tabletten aus dem Süßstoffspender in seinen Kaffee. Ich fühle mich unmittelbar unterlegen und eingeschüchtert. Der Typ ist verdammt cool. Außerdem versteht er es, geschickt persönliche Informationen über sich in das Gespräch einzubinden, obwohl es sich nur um einen Bestellvorgang handelt. Wenn Milena dies bereits als Übergriff empfindet, haben wir großen Redebedarf. Ich kann keinen Grund sehen, ihm ein Hausverbot aufzuerlegen. Darüber bin ich erleichtert. Die anstehende Unterhaltung mit Milena dürfte hingegen wenig zur Erleichterung beitragen. Meine Ahnung bestätigt sich, Milena macht ihre kleinen Probleme zu meinen großen.
Ich drehe mich zur Seite und sehe in das fragende Gesicht Milenas, die unterdessen die alte Dame bedient hat und gespannt meine Reaktion erwartet.
»Da haben wir ja gerade ganz guten Umsatz gemacht!«, sage ich und gehe kopfschüttelnd an ihr vorbei.
Milena lässt die Schultern hängen und seufzt erschöpft. Magnus schaut konzentriert auf seinen wieder aufgeklappten tragbaren Computer.
»Magnus, das ist ein guter Vorschlag.« Milenas Blicke sind spürbar, sie hat die Hoffnung auf eine Reaktion, die ihr gefallen könnte, noch nicht aufgegeben. »Wenn du die Schichtpläne übernimmst, kann ich mich auf die wesentlichen Themen hier konzentrieren«, sage ich etwas lauter als nötig.
»Das ist absolut …« Magnus freut sich, wird aber von Milena unterbrochen, die ihr Glaspoliertuch vor uns auf den Tresen schmeißt, es gegen ein Tablett eintauscht und verkündet: »Dann kannst du dich ja auch gleich mal um unseren zweiten Spezialgast kümmern. Die Oma dort mit den zwei prallgefüllten Tüten hat nämlich ihr Geld zu Hause vergessen und will anschreiben lassen. Für dich sicherlich kein Grund für ein Hausverbot, aber vielleicht immerhin ein wesentliches Thema.«
Milena deutet auf die alte Dame, die nicht, wie ich dachte, das Café verlassen hat, sondern immer noch lächelnd mit zwei vollen Tüten am Fenster zur Rosenthaler Straße sitzt. Sie sieht nun noch kleiner aus.
»Ich muss jetzt mal oben abräumen gehen, die Herren werden den Tresen bestimmt so lange im Griff haben.« Milena wendet sich ab,
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