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Für hier oder zum Mitnehmen?

Für hier oder zum Mitnehmen?

Titel: Für hier oder zum Mitnehmen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ansgar Oberholz
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fest, sie vermag mit ihren kleinen alten Händen eine erstaunlich große Kraft auszuüben. Ich wüsste gerne, was jetzt gerade in ihr vorgeht. Ihr Mund ist immer noch gespitzt, sie wirkt angespannt, aber vergnügt. Gute Unterhaltung. Die wird im St. Antonius nicht oft geboten.
    Eigentlich ist es mir gleichgültig, was der Amerikaner im Café macht, solange er einer der wenigen Gäste ist, die konsumieren, dafür bezahlen und alleine nach Hause finden.
    »Den Konsum von Pornografie«, das böse Wort spreche ich etwas vorgebeugt und leiser aus, damit Frau Melanowski es nicht zum wiederholten Male hören muss, sie zieht mich jedoch gleich streng wieder nach hinten, um auch ja alles mitverfolgen zu können, »will ich prinzipiell nicht gutheißen. Aber es ist doch wohl kein Verbrechen und auch kein Grund für ein Hausverbot.«
    Das Eis wird dünn. Milena ist empört.
    »Jeder Gast kann es sehen, und ich habe keine Lust, irgendwelche ekligen, pornoschauenden Süßstofffresser zu bedienen. Hast du schon mal was von Menschenwürde gehört? Auch Angestellte haben so was«, sie spricht immer lauter und schneller. »Du musst ihn jetzt zur Rede stellen. Wenn du ihn schon nicht rausschmeißen willst, dann verbiete ihm wenigstens die Pornos. Das willst du doch wohl nicht dulden? Sonst rede ich mit ihm!«
    »Wäre es eventuell möglich, dass ich die junge hübsche Dame dabei begleite?«
    Frau Melanowski hat meine Hand losgelassen und begonnen, vom Stuhl zu klettern.
    Ein Teil von mir wird sofort neugierig und fragt sich, wie die beiden diese Situation wohl meistern würden. Aber es ist keine Option, dieses schwierige Kundengespräch Milena zu überlassen.
    »Ich werde mir die Sache jetzt anschauen und mit dem Mann reden, wenn es nötig ist. Ihr beide wartet bitte hier.«
    Etwas gedämpfter, Milena zugewandt, füge ich hinzu: »Frau Melanowski ist ein klein wenig orientierungslos. Bitte lass sie nicht aus den Augen. Sie wird gleich abgeholt.«
    Auf dem Weg in das Obergeschoss ärgere ich mich über Milena. Sie will um jeden Preis ihren Willen durchsetzen. Ich muss mit ihr ein ernstes Gespräch führen, wenn die Geschichte geklärt ist. Mit Howard Carpendale werde ich mich schon einigen können. Der Mann bringt täglich guten Umsatz, den werde ich doch nicht wegen der Empfindlichkeiten meiner Mitarbeiterin aufgeben! Und wenn ich mich mit Howard Carpendale einigen kann, kann ich mich auch mit Milena einigen.
    Auf der obersten Treppenstufe bleibe ich stehen. Er hat sich und den Bildschirm seines tragbaren Computers für alle gut sichtbar neben dem Toiletteneingang platziert. Es ist eindeutig pornografisches Material zu sehen, und ich überlege, wie ich ein Gespräch über dieses schwierige Thema beginnen könnte. Vielleicht hat Milena aber auch recht, und ich muss diesen großen, breiten Mann des Hauses verweisen?
    Während ich überlege, studiere ich das Bewegtbildmaterial und gerate ins Stutzen: Ein und dieselbe Sequenz wird immer wieder von neuem abgespielt, wobei Anfangs- und Endpunkt sich bei jeder Wiederholung um wenige Sekunden nach hinten verschieben. Der Mann schaut sich wieder und wieder seine Lieblingsstelle an, weil er einfach nicht genug davon bekommen kann, und das früh am Morgen. Das fühlt sich nicht gut an und könnte andere Gäste abschrecken.
    Der aufkommende Duft von Mandeln passt nicht zu dem, was ich sehe. Milena steht sehr nah hinter mir und blickt über meine Schulter. Ich spüre ihren Atem in meinem Nacken. Ich hatte nicht bemerkt, dass sie die Treppe erklommen hatte, um mir entgegen meiner Anweisung zu folgen.
    »Der ist ja Cutter!«, flüstert sie aufgeregt in mein Ohr. Selbst der Tabakgeruch in ihrem Atem riecht gut.
    »Das habe ich auch gerade festgestellt«, lüge ich, versuche dabei möglichst gelassen zu wirken und drehe ihr langsam meinen Kopf zu. Wir stehen viel zu nah beieinander.
    »Jetzt weiß ich auch, warum er immer so merkwürdig ist«, sagt Milena. »Er ist beim Film! Da sind fast alle ein wenig merkwürdig. Das ist meine Chance! Du weißt doch, dass viele Schauspieler einfach aus Bars und Cafés weggecastet werden. Zur rechten Zeit am rechten Ort sein, das ist es!«
    Sie umarmt mich, küsst mich ein wenig zu lange und ein wenig zu nass auf die Wange und stürmt die Treppe hinab. Während ich erst langsam begreife, wie sich das Schicksal gewendet hat, nickt Howard Carpendale mir wohlwollend zu und gibt mir mit einem komplizenhaften Augenzwinkern zu verstehen, dass er genau weiß, was in diesem

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