Fuer immer 2 - die Liebe
dich noch nicht an alles aus deiner Vergangenheit erinnerst, solltest du dich langsam daran gewöhnen, weiter als nur auf ein Leben begrenzt zu denken. Wenn du damals gelebt hast, ist es durchaus möglich, dass ihr euch mal begegnet seid.«
Ich überlege einen Moment. Meinen bisherigen Erinnerungen zufolge habe ich zu jener Zeit tatsächlich gelebt und sogar Cello gespielt, wenn auch natürlich nicht auf Suggias Niveau. Sie hat mich fasziniert, seit ich das erste Mal ihren Namen hörte. Sollte es möglich sein, dass das nicht nur bloße Bewunderung, sondern tatsächlich Erinnerung war? »Das ist ja verrückt. So habe ich das noch nie betrachtet.«
Maria unterbricht meine Gedanken, als sie kommt, um die Teller abzuräumen. Während wir schweigend dasitzen und auf die Rechnung warten, spüre ich, dass Drew in Gedanken ganz woanders ist als bei Guilhermina Suggia.
»Du kannst ruhig fragen.«
»Fragen? Wieso, was denn?«
»Na, das, was dir schon den ganzen Abend durch den Kopf geht.«
Er grinst, und wieder fällt mir auf, wie gut er aussieht, wenn er lächelt. Schnell wende ich mich ab und gucke aus dem Fenster.
»Es gibt tatsächlich eine Frage, die mich beschäftigt«, antwortet er nach kurzem Zögern.
»Sag ich doch. Schieß los.«
Er räuspert sich ein bisschen nervös. »Also … Was geschah mit dir, nachdem sie mich weggebracht hatten?«
»Die Soldaten meinst du?«
Er nickt. »Als sie mit dieser fadenscheinigen Anklage wegen Verrats an der Krone kamen und mich fortschleppten. Ich hätte nie gedacht, dass sie es wirklich durchziehen.« Sein Lachen klingt bitter.
»Und nach jenem Tag … ich meine, nachdem die Soldaten dich weggebracht hatten …« Ich hole tief Luft und schaue ihm in die Augen. »… danach haben wir uns nie mehr wiedergesehen, oder?«
»Nein.« Sein Tonfall verrät mir, dass die Erinnerung ihm immer noch nahegeht. »Ich wurde im Tower eingesperrt und einige Monate später hingerichtet.«
»Ich habe gelesen, was du im Beauchamp Tower in die Wand geritzt hast.
Ad vitam aeternam
.«
Drew ist perplex. »Du hast es gelesen? Wann denn?«
»Letzten Frühling, als wir in den Ferien in London waren. Damals konnte ich es noch nicht einordnen. Es war nur wie der Anflug einer Erinnerung, aber trotzdem wusste ich, dass es eine ganz besondere Bedeutung hat.«
Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück und schweigt eine Weile. »Als ich es dort eingeritzt habe, dachte ich, du würdest es niemals zu Gesicht bekommen«, fährt er schließlich fort. »Besser gesagt habe ich damals
gehofft
, du würdest niemals im Tower landen und es zu Gesicht bekommen …«
Er sieht mir in die Augen. »Was mich zurück zu meiner eigentlichen Frage bringt: Was geschah mit dir? Hast du wieder geheiratet? Ich wollte, dass du ein angenehmes Leben hast, auch wenn ich nicht mehr da bin. Geld war genug vorhanden, und ich hatte Vorkehrungen getroffen, damit du bis an dein Lebensende versorgt bist.«
»Du weißt es nicht?«, frage ich verdutzt. Diese Möglichkeit ist mir bisher überhaupt nicht in den Sinn gekommen.
Er schüttelt energisch den Kopf. »Nein. Ich habe überall Nachforschungen angestellt, aber es gibt keinerlei Aufzeichnungen. Es ist, als wärst du damals einfach vom Erdboden verschwunden.«
»Ja, so ungefähr.« Ich schaue mich um, um sicherzugehen, dass uns niemand zuhört. »Ich wurde kurze Zeit nach dir hingerichtet. Ein paar Monate später, glaube ich.«
Drew schlägt mit der Faust auf den Tisch und seine Augen funkeln zornig. »Verdammt! Sie haben sich nicht an die Abmachung gehalten.« Unwillkürlich streckt er seine Hand nach meiner aus, besinnt sich aber im letzten Moment und zieht sie wieder zurück. Stattdessen sieht er mir nur in die Augen. »Hätte ich gewusst, was geschieht, wäre ich niemals mit ihnen gegangen, das musst du mir glauben. Bis aufs Messer hätte ich gekämpft, damit man uns nicht voneinander trennt. Aber die Abmachung war, dass man dich in Frieden lässt, wenn ich keinen Widerstand leiste. Der König war deinem Liebreiz verfallen …« Ich muss lächeln, weil er unbewusst in die verschnörkelte Ausdrucksweise der damaligen Zeit verfällt. »… und ich dachte, seine Bewunderung für dich wäre ein Garant für deine Sicherheit.«
Ich denke zurück an den Morgen, als ich im Tower saß und mein Schicksal erwartete, während draußen die Arbeiter das Schafott errichteten, denke an das, was mir damals durch den Sinn ging, und ich weiß, dass meine Erinnerung mich nicht trügt.
Weitere Kostenlose Bücher