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Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer

Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer

Titel: Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Henry
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gefasst, woraufhin sie ihn erregt und entgeistert zugleich angesehen und geflüstert hatte: »Noch nicht, Roy!« Und da er ein Kavalier war, hatte er nachgegeben. Bestimmt würde sie es ihm schon bald wieder erlauben, denn ganz so schnell hatte sie seine Hand dann doch nicht weggeschoben, und daran, wie sie die Luft angehalten hatte, hatte er gemerkt, dass es ihr gefallen hatte. Sie gingen jetzt schon fast ein Jahr miteinander, und sie hatte es nicht verdient, dass er in seinen Tagträumen ausnahmslos an Jane dachte. Es würde sie zutiefst kränken, wenn sie davon wüsste. Aber wahrscheinlich hatte sie sowieso schon Verdacht geschöpft. Sie reagierte immer ziemlich pampig, wenn Jane bei ihm am Kiosk auftauchte, um sich ein Eis zu kaufen.
    Er mochte es überhaupt nicht, die beiden zusammen zu sehen. Dann fiel ihm der Unterschied zwischen ihnen zu sehr auf. Marie war stämmig, ein properes Mädchen vom Land mit dunklem Haar. Sie war ganz hübsch, aber man brauchte nur ihre Mutter zu sehen, dann wusste man, was einmal aus ihr werden würde. Sie war direkt, nahm kein Blatt vor den Mund. Sie konnte es nicht leiden, wenn man ihr dumm kam; das hatte Roy schnell daran gemerkt, wie sie die Gäste im Café behandelte, wenn sie Schwierigkeiten machten – die wurden kurzerhand vor die Tür gesetzt. Und er wusste alles über Marie, was es zu wissen gab. Sie waren beide in Everdene geboren, hatten dieselben Schulen besucht. Er wusste, was sie vom Leben erwartete: im Café ihrer Eltern arbeiten, heiraten, wahrscheinlich ihn, Roy, und ein paar Kinder kriegen. Wie sollte es auch anders sein?
    Jane dagegen war schlank, elegant, exotisch, faszinierend. Sie erzählte Roy von einer ihm völlig unbekannten Welt, und er hing an ihren Lippen, wenn sie ihm von London berichtete. Von der Musik, die Tag und Nacht aus Cafés und Kneipen drang, von den Berühmtheiten, die man dort manchmal zu sehen bekam, von den Läden, in denen man die unglaublichsten Kleider kaufen konnte, und von dem ständigen Trubel.
    »Ganz anders als hier in diesem langweiligen Kaff. In London ist immer was los!«
    Roy hätte ihr am liebsten widersprochen. Er langweilte sich nie in Everdene. Für ihn gab es hier immer etwas zu tun, etwas zu sehen, aber er musste auch zugeben, dass das, was Jane von der Großstadt erzählte, spannend klang. Auf jeden Fall anders. Ob er es je selbst erleben würde, musste sich noch zeigen. Doch er glaubte nicht unbedingt daran. Erstens hatte er gar keine Ahnung, wie er nach London kom men sollte, oder was er tun sollte, wenn er dort ankam. Zweitens würde er garantiert auffallen wie ein bunter Hund: wie ein Landei. Er stellte sich vor, wie er zum Opfer von Taschen dieben und Betrügern wurde, dass er geschröpft wurde wie Oliver Twist.
    »Du solltest mich mal besuchen kommen«, sagte Jane mit einem schelmischen Lächeln. »Ich könnte dir die Sehenswürdigkeiten zeigen. Dich in einen Nachtklub mitnehmen.« Sie spielte an seinem Hemdkragen. »Zuerst müssten wir dir natürlich ein bisschen was anderes zum Anziehen kaufen. Aber das würden wir schon hinkriegen.«
    Roy lief puterrot an, als sie ihn von oben bis unten musterte und anerkennend nickte. Was ging bloß in ihr vor?
    Sie spielte doch bloß mit ihm, sagte er sich, als er sich an dem Morgen seine alten Sachen anzog. Mrs. Lowe hatte ihm eine endlos lange Liste mit Dingen gegeben, die er für sie erledigen sollte. Die Zeit würde gerade reichen, um vor der Party noch kurz nach Hause zu kommen, sich zu duschen und etwas Schickes anzuziehen. Oder zumindest etwas Sauberes – etwas Schickes besaß er gar nicht. Er war ein Bursche vom Land, immer draußen an der frischen Luft, einer, dessen El tern nicht mal in die Kirche gingen. Wozu brauchte er schicke Klamotten? Aber wenn Mrs. Lowe ihn ein paar Tage früher eingeladen hätte, dann hätte er vielleicht …
    Als Roy in die Küche kam, reichte seine Mutter ihm ein Sandwich.
    »Nein, danke«, sagte er.
    Sie sah ihn stirnrunzelnd an. »Was ist los, Junge?«
    »Nichts. Ich hab einfach keinen Hunger. Ich trinke nur eine Tasse Tee.«
    Sie schürzte die Lippen. »Lass dir von diesen Leuten bloß keinen Floh ins Ohr setzen!«, sagte sie und stellte ihm eine Tasse dunklen, dampfenden Tee hin.
    »Red keinen Quatsch, Mum.« Er tat zwei Würfel Zucker in seine Tasse.
    »Geht Marie auch zu der Party?« Seine Mutter redete nie um den heißen Brei herum.
    Roy rührte seinen Tee um. »Nein. Die haben mich nur eingeladen, damit ich ihnen zur Hand gehen

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