Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer
ziemlich deutlich den Geist dieser Partys wider, die meist damit endeten, dass so manches junge Mädchen im Ballkleid unter Gekreisch und Gelächter ins Meer geworfen wurde.
»Ich habe mit der Stadthalle vereinbart, dass die uns wieder ihre langen Bierbänke und -tische leihen«, sagte Roy. Wenn er über Vereinbarungen redete, fühlte er sich auf siche rerem Boden. »Ich bringe sie euch gleich am Samstagmorgen, damit ihr anfangen könnt, alles aufzubauen. Kurz nach Mittag bringe ich dann die Bierfässer – besser, wenn sie nicht zu lange in der Sonne stehen. Um die Zeit kommt auch der Mann mit dem Schweinebraten.«
»Großartig.« Jane legte Roy eine Hand auf den Arm. »Was täte ich bloß ohne dich?«
Roy sagte nichts dazu.
Zehn Minuten später hielt er vor dem Bahnhof von Everdene und ließ Jane aussteigen. Sie beugte sich vor, um sich zu verabschieden.
»Du bist ein Schatz.«
»Ruf mich an, wenn du in den Zug nach Hause steigst. Ich komme dich abholen.«
»Wirklich?«
»Na klar.«
Jane lächelte und schlug die Beifahrertür zu. Als er ihr nachschaute, wie sie mit hoch erhobenem Kopf auf den Eingang zuging, fragte er sich, was wohl alles in diesem Kopf vorgehen mochte. Er seufzte.
Selbst jetzt, nach all den Jahren, war die Sehnsucht noch da.
An dem Tag, als die erste Strandparty in Everdene stattgefunden hatte, war Roy mit Schmetterlingen im Bauch aufgewacht. Das war ihm seit Jahren nicht mehr passiert, nicht mal an Weihnachten oder an seinem Geburtstag. Er war inzwischen achtzehn Jahre alt. Er hatte geglaubt, dass man das mit dreizehn, vierzehn hinter sich hatte, dass einen, wenn man mehr oder weniger erwachsen war, nichts mehr so aufregen konnte, aber sein Magen sagte ihm etwas anderes. Seine Mutter briet gerade Speck in der Küche, und ihm wurde richtig übel von dem Geruch.
Was war bloß mit ihm los? Das war doch bescheuert; er benahm sich ja wie ein Mädchen, schalt er sich. Aber er konnte einfach nicht vergessen, wie Jane ihm am gestrigen Nachmittag vor Freude um den Hals gefallen war, als ihre Mutter zu ihm gesagt hatte: »Du kommst doch hoffentlich auch zur Party, oder? Nach all der Arbeit, die du dir gemacht hast, willst du doch bestimmt den Spaß nicht verpassen!«
»Ja, du musst auch kommen!«, hatte Jane gerufen. »Bitte sag ja!«
Die Einladung hatte ihn regelrecht schockiert. Er hatte gedacht, er sei lediglich Mrs. Lowes Laufbursche. Damals war die Party noch eine relativ kleine Angelegenheit gewesen – es gab erst insgesamt zwölf Strandhütten –, aber Prue war eine Betriebsnudel, die immer so viele Leute wie möglich miteinbezog, und sie hatte sich Roy zum willigen Sklaven gemacht. Er war die ganze Woche herumgerannt und hatte ihre Befehle ausgeführt, auch wenn er nicht damit rechnete, dass sie ihn für seine Arbeit bezahlen würde. Aber was machte das schon, wenn er dafür immer in Janes Nähe sein konnte und sich noch nicht mal irgendwelche Vorwände ausdenken musste, um mit ihr zu sprechen. Den ganzen Sommer schon bekam er sie nicht aus dem Kopf. Jeder Song, der im Radio lief, erinnerte ihn an sie. »Summer Holiday« von Cliff Richard, ein Stück, das ihm immer ein Grinsen entlockte. »She Loves You« von den Beatles – na ja, träumen durfte man schließlich. Obwohl er eigentlich nicht wusste, warum er sich überhaupt Hoffnungen machte, denn Jane war unerreichbar für ihn. Und außerdem war er selbst schon versprochen.
Aber nichts konnte einen Achtzehnjährigen davon abhalten, seiner Fantasie freien Lauf zu lassen, und das tat er Tag und Nacht. Er dachte an ihr blondes Haar und stellte sich vor, wie es sich wohl anfühlte. Er dachte an ihre goldene Haut und ihre lachenden Augen. Er malte sich aus, wie er sie küsste, und dann klopfte sein Herz jedes Mal so heftig, als wollte es ihm aus der Brust springen. Er dachte an ihre leicht heisere Stimme und ihre vornehme Aussprache und an das verrückte Zeug, das sie manchmal von sich gab, stets gefolgt von diesem Lachen, das ihm Hören und Sehen vergehen ließ.
Bei Marie ging ihm das nie so, und bei dem Gedanken an sie klopfte auch sein Herz nicht so heftig, als wollte es ihm aus der Brust springen. Er mochte sie, sehr sogar. Aber er war nicht verrückt nach ihr. Sie hatte nichts Geheimnisvolles. Er lag nie wach und träumte davon, sie einfach nur in den Armen zu halten. Er hatte Marie schon öfter geküsst. Mehr als geküsst. Er hatte ihre Brüste berührt, und die waren angenehm rund und weich. Er hatte ihr zwischen die Beine
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