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Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer

Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer

Titel: Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Henry
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konnte.
    Tracey war nie der Typ gewesen, der sein Licht unter den Scheffel stellte. Sie war eine sehr erfolgreiche Geschäftsfrau geworden, Eigentümerin von drei Nobelboutiquen im Norden von London. Fiona hatte sich die Telefonnummern in ihrem Taschenkalender notiert. Als sie bei der zweiten Nummer anrief und nach Tracey fragte, wurde sie gebeten, einen Moment zu warten.
    »Tracey Pike.«
    Ihr barscher Tonfall ließ Fiona auch heute noch erschaudern.
    »Hallo, Tracey. Hier spricht Fiona McClintock.«
    Schweigen. Eine Erklärung war nicht notwendig. Tracey wusste genau, wer sie war und warum sie anrief.
    »Wir müssen miteinander reden.«
    »Gut.«
    Fiona spürte die Anspannung über die Entfernung von dreihundert Kilometern.
    »Ich komme zu dir. Wo wohnst du?«
    Offenbar wollte sie Fiona nicht in der Nähe ihrer heilen Welt haben. Aus dem Schrank, in dem sie ihre Designerkleider aufbewahrte, sollte ihr kein Skelett entgegenfallen.
    Fiona nannte ihr die Anschrift.
    »Morgen bin ich da«, sagte Tracey knapp und legte auf.
    Sie traf gegen Mittag ein, eher gekleidet für Saint-Tropez als für Everdene: abgeschnittene Jeans, geschnürte Espadrilles und eine riesige Givenchy-Sonnenbrille im Haar, das sie offenbar einer chemischen Prozedur unterzogen hatte, um es zu glätten. Ihre Brüste waren größer, als Fiona sie in Erinnerung hatte. Ihr Gesicht war wesentlich weniger kantig als zuvor. Jemand, der mit einem Skalpell umgehen konnte, hatte ganze Arbeit geleistet.
    Sie umarmte Fiona wie eine lange vermisste Freundin. So war Tracey, sie wiegte einen in trügerischer Sicherheit. Die Mischung aus Erinnerungen, der Angst vor dem, was auf sie zukam, und Traceys widerlichem Parfum drehte Fiona den Magen um. Sie selbst sah wahrscheinlich ziemlich mitgenommen aus – die Haare an den Kopf geklatscht, ungeschminkt, gestresst von der Anstrengung, sich das Trinken zu verkneifen. Ihr dröhnte der Schädel. Ihr ganzer Körper schien sich im Schockzustand zu befinden. Fiona musste ihre Willenskraft aufbringen, um nicht vorzuschlagen, sie sollten doch in den Pub gehen.
    Tracey hielt sich nicht lange damit auf, die Strandhütte zu bewundern. Sie steckte sich eine Zigarette an, ohne zu fragen, ob das in Ordnung für sie war.
    »Also.« Sie blies den Rauch aus. »Was gibt’s?«
    »Ich kann es nicht mehr für mich behalten«, sagte Fiona. »Ich muss die Wahrheit sagen.«
    Tracey sah sie verblüfft an. »Warum das denn? Das erweckt sie auch nicht wieder zum Leben.«
    »Ich ertrage die Schuldgefühle nicht länger. Ich mache mir nicht nur mein eigenes Leben kaputt, sondern auch das von meinem Mann und meinen Kindern.« Fiona holte tief Luft. »Ich bin Alkoholikerin, Tracey. Ich trinke, um zu vergessen. Jeden Tag betrinke ich mich, um die Erinnerung auszulöschen. Nach außen hin funktioniere ich wie am Schnürchen. Aber ich weiß, dass es alle wissen, und sie wissen, dass ich es weiß, und ich weiß, dass sie wissen, dass …« Vor Erschöpfung verstummte sie. Es war das erste Mal, dass sie diese Worte ausgesprochen hatte. Ich bin Alkoholikerin . Und sie lebte noch.
    Tracey zuckte nur die Achseln. »Jeder geht anders mit den Dingen um, oder? Ich bin ein Workaholic. Für mich gibt es nichts als meine Arbeit. Mein ganzes Leben dreht sich um mein Geschäft. Ich habe keine Familie.« Sie lächelte freudlos. »Heute ist mein erster freier Tag seit einem halben Jahr einschließlich der Wochenenden. Meine Angestellten wundern sich. Die können sich denken, dass irgendwas Ernstes dahintersteckt, dass ich weggefahren bin. Oder sie glauben, ich habe einen Termin für eine Schönheitsoperation.« Sie musterte Fiona. Ihre Augen waren immer noch klein. Das konnte kein Chirurg der Welt korrigieren. »Was soll denn ein Geständnis ändern, Fiona?«
    Fiona straffte sich. Sie musste standhaft bleiben.
    »Wir haben Lindsay in den Tod getrieben mit unserem lächerlichen Machtkampf. Wegen unserer verfluchten Egos ist sie auf das Geländer geklettert. Und ich kann mit diesem Wissen nicht mehr leben! Die Wahrheit muss ans Licht kommen, damit ich mich meiner Schuld stellen kann. Damit ich den Menschen, die ich liebe und die mich hoffentlich auch lieben, helfen kann zu verstehen, warum ich so bin, wie ich bin.«
    Tracey steckte sich noch eine Zigarette an. Auch wenn sie sich gelassen gab, war sie ziemlich aufgewühlt, das war nicht zu übersehen.
    »Ich kann keinen Sinn darin sehen, alles wieder auszugraben. Das wird ein Albtraum. Die Medien werden sich darauf

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