Für immer - Blue
durfte sie sich nicht auf die Seite des Verdächtigen schlagen. Ihr Job bestand darin‚ den Mörder zu finden – egal wer sich als der Mörder entpuppte.
Sie ließ den Kopf auf die auf dem Lenkrad verschränkten Arme sinken. „Was ist‚ wenn ich zu dem Schluss komme‚ dass du schuldig bist?“
„Ich glaube‚ du hast schon entschieden‚ dass ich es nicht bin.“
Lucy hob den Kopf. „Ich muss dich befragen“‚ sagte sie. „Du musst mir sagen‚ wo du zu der Zeit warst‚ als Gerry gestorben ist.“
„Ich habe kein Alibi. Ich war allein.“
Sie zog ihr Notizbuch aus der Tasche und stieß die Wagentür auf. „Gehen wir ein bisschen am Strand spazieren“‚ schlug sie vor.
Blue nickte. „Gute Idee“‚ erwiderte er und stieg ebenfalls aus.
Der Sand knirschte unter Lucys Schuhen. Blue hatte sich die Sandalen ausgezogen‚ wie ihr auffiel. Er ging barfuß. Und er hatte schöne Füße. Sie wirkten stark mit dem hohen Spann und den langen geraden Zehen.
Bis sie das Wasser erreicht hatten‚ führte sie ihre Befragung durch. Danach gingen sie schweigend an der Küste spazieren und betrachteten das Schauspiel der bald untergehenden Sonne am Meer.
„Wir befinden uns in einer interessanten Lage“‚ sagte Lucy irgendwann. Ihr fiel es nicht leicht‚ trotzdem musste sie ehrlich zu ihm sein‚ weil sie darauf angewiesen war‚ dass er ihr gegenüber aufrichtig war. „Letzte Nacht waren wir dabei‚ eine … bestimmte Art von Beziehung einzugehen. Und heute ist alles anders.“
Er schwieg und hörte ihr einfach zu‚ deshalb fuhr sie fort. „Ich werde dir einen ganzen Haufen Fragen stellen‚ und du musst sie mir ehrlich beantworten. Verstehst du?“
Sie trat zur Seite‚ damit die Welle‚ die auf dem Sand auslief‚ nicht ihre Schuhe erreichte. Blue ließ das Wasser über seine Füße fließen. Der Saum seiner Hose war nass‚ aber er schien es nicht zu merken‚ oder es machte ihm nichts aus. Er sah auf‚ als spürte er Lucys Blick auf sich‚ und nickte. Ja‚ er verstand sie.
„Okay.“ Sie atmete erleichtert aus. Ohne dass es ihr bewusst gewesen war‚ hatte sie den Atem angehalten. „Ich habe dich um halb neun an deinem Motel abgesetzt. Erzähl mir‚ was du getan hast‚ bevor du ausgecheckt hast.“
Nachdenklich kniff er die Augen zusammen. „Ich bin ins Zimmer gegangen‚ habe geduscht und mich umgezogen. Ich habe mir bei Joe’s Grill gebackenen Fisch und Salat geholt‚ bin zurück in mein Zimmer gegangen und habe mir beim Essen einen Teil eines Fernsehfilms angeschaut“‚ berichtete er. „Es war nicht besonders gut‚ weder der Film noch das Essen. Darum habe ich vor dem Ende abgeschaltet. Das war wahrscheinlich so gegen zehn Uhr. Die Klimaanlage funktionierte nicht so richtig‚ und ich war … ruhelos. Darum bin ich zum Spazieren nach draußen gegangen.“
Ruhelos. Lucy hatte sich während der vergangenen Nacht genauso gefühlt. Sie wusste‚ dass er sie jetzt beobachtete. Deshalb hielt sie den Blick sorgsam auf ihr Notizbuch gerichtet. „Wo bist du hingegangen? Ist es möglich‚ dass dich draußen jemand gesehen hat?“
„Ich bin die Main runter‚ zum Hafen“‚ sagte Blue. „Ich habe mich da eine Weile hingesetzt‚ ich weiß nicht einmal‚ wie lange.“ Er schwieg einen Augenblick‚ bevor er fortfuhr: „Und dann bin ich hoch zur Fox Run Road gegangen.“
Lucy konnte sich nicht davon abhalten‚ den Kopf zu heben und Blue anzusehen. Sie wohnte in der Fox Run Road.
„Ja“‚ erklärte er. „Ich wollte sehen‚ ob du vielleicht noch wach bist.“
Das war sie gewesen. Sie hatte bis in die frühen Morgenstunden so gut wie kein Auge zugetan. Sie hatte auf die Schatten an der Zimmerdecke gestarrt und sich gewünscht‚ verwegen und kühn gewesen zu sein. Sie hatte sich nach Blues Nähe gesehnt. Doch sogar als sie sich ihn zu sich gewünscht hatte‚ war ihr klar gewesen‚ wonach sie sich eigentlich verzehrte: nach einer Art märchenhaftem Ende‚ dass er sie küsste und ihr gestand‚ nicht ohne sie leben zu können‚ dass sie seine einzige Hoffnung auf wahres Glück war.
Die ganze Zeit hatte sie sich gesagt‚ dass sie sich in ein kurzes heißes Liebesabenteuer stürzte‚ auf einen One-Night-Stand einließ. Sie hatte sich davon überzeugen wollen‚ eine Nacht könnte genügen. Doch die ganze Zeit lang hatte sie insgeheim‚ sogar ihr selbst war es verborgen gewesen – gehofft‚ etwas Magisches würde geschehen und Blue möge in der Stadt bleiben.
Lucy
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