Für immer - Blue
blickte starr auf die eng beschriebenen Zeilen ihres Blocks‚ sah aber nichts deutlich. Die Wörter sahen eher wie Spuren von Möwen im Sand aus. Blue blieb in der Stadt‚ doch was geschehen war‚ konnte sie nicht annähernd als magisch bezeichnen. Es war böse und tödlich.
Wenn Blue Gerry nicht getötet hatte – und er hatte recht‚ sie glaubte nicht‚ dass er es war –‚dann war der wahre Täter schon längst verschwunden. Oder noch schlimmer: Er war irgendwo da draußen‚ beobachtete und wartete‚ bis seine Zeit gekommen war.
Lucy sah auf und ertappte Blue dabei‚ wie er sie betrachtete. „Bei dir war kein Licht mehr“‚ sagte er. „Aber selbst wenn‚ hätte ich nicht an die Tür geklopft. Als du mich beim Motel rausgelassen hast‚ hast du klargestellt‚ dass du mich nicht in deiner Nähe haben willst.“
Das stimmte nicht. Sie hatte ihn bei sich haben wollen. Doch es war einfach viel zu kompliziert geworden‚ als sie ihn mit Jenny Lee auf der Tanzfläche im Country club gesehen hatte.
„Ich weiß nicht‚ warum ich überhaupt zu dir gegangen bin“‚ berichtete Blue weiter‚ wandte den Blick ab und schaute aufs Meer hinaus. „Schätzungsweise habe ich gehofft‚ dich nackt auf dem Rasen tanzen zu sehen oder so.“
Lucy musste lachen. „In letzter Zeit habe ich nicht besonders oft nackt im Garten auf dem Rasen getanzt.“
„Wie schade“‚ erwiderte er‚ sah sie wieder an und lächelte gelassen.
Wie schade. Es war zu schade‚ dass Blue in der vergangenen Nacht nicht an ihre Tür geklopft hatte. Und es war zu schade‚ dass Lucy davor die Einladung abgelehnt hatte‚ mit in sein Motelzimmer zu kommen. „Hätte ich die Nacht mit dir verbracht‚ hättest du jetzt ein Alibi“‚ bemerkte sie.
Er begegnete ihrem Blick‚ und in seinen Augen spiegelte sich mit einem Mal ein gefährlich loderndes Feuer wider. „Stimmt“‚ erwiderte er sanft.
Sie wich seinem Blick aus und betrachtete wieder ihre Notizen. Ihr war vollkommen klar‚ dass es jetzt Zeit wurde‚ zu den schwierigen Fragen zu kommen. Die Fragen‚ die sie bisher zu stellen vermieden hatte. Sie musste erfahren‚ worüber Blue sich mit Jenny Lee unterhalten hatte‚ und den Streit mit Gerry rekapitulieren. Das würde sie von diesen gefährlichen Themen fernhalten.
„Gehen wir ein Stück zurück“‚ sagte Lucy. „Letzte Nacht im Countryclub …“
„Ich bin kurz vor halb sieben im Klub angekommen“‚ erzählte er. „Ich habe am Nachmittag in Gerrys Büro angerufen‚ gleich nachdem ich im Motel eingecheckt hatte. Seine Sekretärin meinte‚ er säße den ganzen Tag in Meetings und hätte gesagt‚ er würde mich auf der Party treffen. Und dass ich dort früh auftauchen sollte‚ um mit ihm zu reden.“
Lucy blieb stehen. „Worüber habt ihr euch unterhalten?“
„Er ist nicht aufgekreuzt.“ Blue zog mit dem Zeh einen Strich in den nassen Sand und beobachtete‚ wie eine sanfte Welle ihn fast ganz tilgte. „Ich habe bis nach sieben nach ihm Ausschau gehalten. Aber ich habe ihn erst entdeckt‚ als er und Jenny Lee ihren großen Auftritt hatten.“
Blue hat letzte Nacht im Countryclub nach seinem Stiefbruder gesucht‚ überlegte Lucy. Er hatte sich nicht wartend nach ihr umgesehen‚ wie sie geglaubt hatte. Enttäuschung überkam sie‚ und sie zwang sich‚ es zu ignorieren. In ihrer gegenwärtigen Beziehung war kein Raum für derartige Gefühle. Sie war die Ermittlerin und er der Verdächtige.
„Irgendeine Ahnung‚ worüber er mit dir reden wollte?“
Blue fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und strich es sich aus dem Gesicht. In der seichten Seeluft fiel ihm aber sofort wieder eine Strähne in die Stirn. „Ich dachte‚ wir würden uns ganz zwanglos treffen“‚ erwiderte er. „Um wieder anzuknüpfen. Du weißt schon: ‚Hey‚ wie geht’s dir?’‚ ‚Wie läuft’s so?’‚ ‚Was hast du in den letzten zwei Jahren gemacht?’ und solche Sachen.“
„Aber…?“
Wieder sah Lucy einen Ausdruck von Schmerz über seine ansonsten ausdruckslose Miene huschen. Hätte sie diesen Ausdruck nicht schon einmal bei ihm wahrgenommen‚ hätte sie es jetzt nicht bemerkt. Er ging weiter am Strand entlang spazieren‚ und Lucy beeilte sich‚ zu ihm aufzuschließen‚ um sein Gesicht zu beobachten‚ während er redete.
„Nach der kleinen Showeinlage auf der Tanzfläche glaube ich allerdings‚ Gerry hatte seine kleine ‚Verschwinde’-Ansprache eigentlich unter vier Augen abhalten wollen‚ bevor
Weitere Kostenlose Bücher