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Für immer, Dein Dad

Für immer, Dein Dad

Titel: Für immer, Dein Dad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lola Jaye
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schön.»
    Meine Mutter war offensichtlich nicht mehr ganz richtig im Kopf. «Schön für wen?»
    «Für dich!»
    «Nein, Mum!»
    «Aber warum nicht?»
    «Ich hab’s dir doch erklärt, ich habe schon einen Dad!» Ich wollte sie nicht anschreien, aber gleich hatte sie mich so weit. Ich fühlte mich, als würde ich jede Sekunde explodieren. Sie sollte endlich aus meinem Zimmer gehen.
    «Lois, das will dir doch auch niemand nehmen.» Mumsenkte ihren Blick. «Aber du warst noch ganz klein, als dein Vater   …»
    «Gestorben ist. Ich war fünf. Und?» Ich sah Dads Foto auf meinem Nachttisch an.
    «Ich glaube, es ist wichtig, dass du eine Vaterfigur in deinem Leben hast, so wie   …»
    «NEIN!», brüllte ich. Das war einfach unerträglich. Ich hätte ihr soooo gern vom
Leitfaden
erzählt. Dass ich dadurch mit meinem Dad reden konnte, wann immer ich es wollte. Dass er bei mir war, wenn ich einschlief, und unter meinem Kopfkissen, wenn ich träumte. Er sprach zu mir durch diese Seiten, er sagte mir immer wieder, dass er mich liebte. ICH WOLLTE IHR SAGEN, DASS ICH MEINEN DAD NOCH HATTE!
    «Lois   …»
    «Du denkst, ich kenne meinen Dad nicht, aber das tue ich.»
    «Lois, sieh mal   …»
    «Ich kenne ihn besser, als du glaubst. Wir reden jeden Tag miteinander.»
    Verständnislos riss sie die Augen auf. «Was meinst du damit?»
    «Nichts», gab ich zurück. Meine Körpersprache forderte sie auf, mein Zimmer zu verlassen, meinen Zufluchtsort, und vor allem das Versteck von Dads
Leitfaden
.
    «Wir reden ein anderes Mal weiter», sagte sie ruhig. Dann stand sie auf, ging hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Ich angelte mir den
Leitfaden
, schlug ihn auf und fluchte, als eine Träne auf eine Seite fiel und zwei wertvolle Buchstaben eines Wortes verschmierte, das mein Dad niemals mehr würde neu schreiben können.
     
    Danach ging ich Mum und Bingo-Mann so oft wie möglich aus dem Weg. Die Wochen schleppten sich dahin, wir wechselten nur die allernotwendigsten Worte, die Atmosphäre war unerträglich. Deswegen war es ausnahmsweise einmal eine echte Erleichterung, als mein jährlicher Besuch bei Granny Bates vor der Tür stand.
    Granny Bates lebte in Sussex und beharrte darauf, dass ich im Sommer mit ihr eine Woche in ihrem trübsinnigen Haus am Meer verbrachte. Das Mobiliar dort gehörte eigentlich ins Museum, und überall an den Wänden hingen Bilder von meinem Dad, seine Schulzeugnisse, seine Fußballmedaillen und jede einzelne krakelige Zeichnung, die er als Kind für sie gemalt hatte. An seine Schwestern dagegen, meine Tanten Philomena und Ina, erinnerte gar nichts. Nach dem Grund dafür hatte ich Granny Bates nie gefragt, obwohl es mir aufgefallen war. Eigentlich sprach sie ohnehin kaum mit mir. Wenn ich bei ihr war, kam es mir jedes Mal so vor, als sei ich ein Platzhalter. Außerdem vermisste ich dort Carla und Corey, zumal das Interessanteste, was die Umgebung von Grannys Haus zu bieten hatte, Begegnungen mit Schafen und alten Leuten waren. Zum Glück hatte ich wenigstens meinen Walkman und Coreys Kassette, als ich diesmal mit Granny zusammensaß. Sie trank den Ingwerschnaps, den ich ihr jedes Jahr von Mum mitbrachte.
    Als ich noch klein war, konnte ich mich bei diesen Besuchen mit meinen Puppen und ein paar Büchern beschäftigen, aber nun fiel es mir immer schwerer, eine ganze Woche bei Granny Bates durchzustehen. Sieben komplett verlorene Tage!
    «Gran, können wir uns nicht etwas anderes ansehen?», fragte ich. Der Nachrichtensender war wirklich nicht besonders aufregend. In den Zeiten von Kabelfernsehen konnteman schließlich auch einen interessanten Sender einstellen. MTV zum Beispiel.
    «Dein Vater hat sich die Nachrichten immer gerne angesehen.»
    Oje, es geht schon wieder los, dachte ich. Das war auch so eine Sache. Sie verglich mich ständig mit meinem Dad. Das hätte mir nicht so viel ausgemacht, wenn ich nicht das Gefühl gehabt hätte, dass ich dabei ziemlich schlecht wegkam. Wahrscheinlich störte es sie, dass ich nicht sein Klon war. Meistens war sie trotzdem «nett» zu mir. Es kam mir nur manchmal so vor, als ob es in der Familie Bates eine Menge Dinge gab, von denen ich nichts wusste.
    Ich stand auf.
    «Wohin gehst du denn?»
    «In mein Zimmer, vielleicht höre ich noch ein bisschen Musik auf meinem Walkman.»
    «Du hörst dir also lieber die Musik aus diesem Ding an, als bei deiner Granny zu bleiben?»
    «Nein, so ist es nicht   …»
    «Also geh. Und mach keine Unordnung in dem Zimmer. Es

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